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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2005, Seite 4

Kolumne: Jakob Moneta

Gegen die kannibalische Weltordnung

Mit 99,4% der Stimmen wurde Matthias Platzeck auf dem SPD-Parteitag Nachfolger von Franz Müntefering als SPD-Parteivorsitzender. Nur 2 der 512 Delegierten stimmten gegen ihn, einer enthielt sich der Stimme. Platzeck vergaß in seiner langen Antrittsrede nicht, die »Linke« heftig anzuprangern. Der Politologe Christoph Butterwegge, soeben aus der SPD aus und zur WASG übergetreten, urteilte dagegen schlicht: »Große Koalition — Die Kleinen verlieren.«
Das wichtigste Argument, mit dem alle Vorschläge der »Linken« abgelehnt werden, lautet stets »TINA« (There ist no alternative). Wie wäre es, wenn wir diese »Volksvertreter« dazu veranlassen könnten zu studieren, was Jean Ziegler, Sonderberichterstatter der UNO für das Recht auf Nahrung in seinem Buch Das Imperium der Schande als Alternative anbietet? Weil aber die meisten regierenden Volksvertreter dazu wohl keine Zeit haben, wollen wir versuchen, einiges kurz zu zitieren:
Auf unserem Planeten leben heute 1,8 Mrd. Menschen in äußerstem Elend, mit weniger als 1 Dollar pro Tag, während 1% der reichsten Bewohner so viel Geld verdient wie 57% der Ärmsten dieser Erde. 850 Mio. Erwachsene sind Analphabeten und 325 Mio. Kinder im Schulalter haben keinerlei Aussicht, eine Schule zu besuchen. Heilbare Krankheiten haben im vergangenen Jahr 12 Mio. Personen getötet, und zwar ausschließlich in der südlichen Hemisphäre. Vor 40 Jahren litten 400 Mio. Personen an permanenter chronischer Unterernährung, heute sind es 842 Mio.
Dagegen gedeihen die neuen kapitalistischen Feudalsysteme prächtig. Die Kapitalrendite der 500 mächtigsten transkontinentalen Gesellschaften der Welt belief sich seit 2001 auf jährlich 15% in den USA und auf 12% in Frankreich. Die finanziellen Mittel dieser Gesellschaften übersteigen bei weitem deren Investitionsbedürfnis.
Die 374 größten transkontinentalen Gesellschaften besitzen heute Reserven in Höhe von 555 Milliarden Dollar. Die größte Gesellschaft der Welt, Microsoft, hortet in ihren Safes einen Schatz von 60 Milliarden Dollar. Die Rüstungsausgaben aller Staaten der Welt haben 2004 die 1000 Milliarden Dollar überschritten, 47% dieser Ausgaben wurden von den USA getätigt.
In seinem Jahresbericht schätzt das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, dass eine jährliche Aufwendung von 80 Mrd. Dollar während einer Spanne von 10 Jahren genügen würde, um jedem Menschen den Zugang zu einer elementaren Schulbildung, medizinischer Versorgung und sanitären Infrastrukturen zu gewährleisten.
Im Jahr 2003 belief sich die öffentliche Entwicklungshilfe der Industrieländer des Nordens für die 122 Länder der Dritten Welt auf 54 Milliarden Dollar, im selben Jahr haben die Länder der Dritten Welt dem »Kosmokraten« der Banken des Nordens 436 Milliarden Dollar als Schuldendienst überwiesen. Diese Verschuldung ist die anschaulichste Illustration der strukturellen Gewalt, die in der heutigen Weltordnung am Werk ist.
»Mein Buch stellt eine Diagnose«, schreibt Jean Ziegler: »Die Zerstörung der kannibalischen Weltordnung ist die Sache der Völker, der Krieg für die planetarische soziale Gerechtigkeit muss erst noch geführt werden.« Und kann »nur durch einen totalen Umsturz beseitigt werden«.

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