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Noch bevor US-Präsident Bush sich auf den Weg nach Mar del Plata
aufmachte, das Urlaubsparadies der Argentinier, wusste er, seine Reise würde unter keinem
glücklichen Stern stehen. Er kam mit einem Gefolge von 2000 US-Beamten und dem Plan, sich eines
Marionettenpräsidenten zu bedienen, um zu verhindern, dass ein anderer Präsident die Versammlung
aufmischen konnte. Doch er musste mit eingekniffenem Schwanz wieder abziehen.
Bush wurde von einer Handvoll
Staatspräsidenten, einem Präsidenten in spe, einem Fußballstar, einem Sänger, einem
Nobelpreisträger und Zehntausenden Demonstrierenden geschlagen sie verkörperten zusammen
den Traum von Millionen Menschen in Lateinamerika. Meldungen der argentinischen Tageszeitung Pagina 12
zufolge verabschiedete sich Bush vom gastgebenden Staatsoberhaupt Nestor Kirchner mit den Worten: »Ich
bin etwas überrascht. Hier ist etwas geschehen, das ich nicht erwartet hatte.« Er bezog sich auf
seinen gescheiterten Versuch, eine neue Verhandlungsrunde über die Freihandelszone ALCA einzuleiten.
Die Gegner von ALCA hatten parallel zum
Bush-Besuch in Lateinamerika eine ganze Aktionswoche organisiert, sie startete am 1.November mit einem
Gipfel der Völker. Einen großen Teil der Aufmerksamkeit der Medien zog der »ALBA-
Express« auf sich, der am 3.November in Mar del Plata eintraf. ALBA nennt sich die bolivarianische
Alternative für den lateinamerikanischen Kontinent es ist Hugo Chávez Gegenprojekt
zu ALCA. ALBA will eine soziale, politische und wirtschaftliche Integration der Gesellschaften und der
Staaten in Lateinamerika, auf der Basis von Solidarität und Freundschaft.
An Bord des Zuges befanden sich
Fußballstar Diego Maradona, Boliviens Präsidentschaftskandidat Evo Morales der damit
scharfe Kritik in den Medien und seitens seiner rechten Konkurrenten auslöste, der kubanische
Sänger Silvio Rodríguez und fünf weitere Waggons voller Künstler, Musiker,
Schriftsteller und politischer Aktivisten. Am Bahnhof wurden sie von Argentiniens
Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel empfangen eine der Schlüsselfiguren
des Gegengipfels, an dem 12000 Menschen teilnahmen.
Alle diese Persönlichkeiten nahmen am
5.November an der gemeinsamen Demonstration teil, die 40000 Menschen versammelte. Chávez ergriff hier
das Wort und erklärte: »ALCA ist von den Völkern dieses Kontinents vereitelt worden und
heute, in Mar del Plata, ist es Zeit, das Projekt zu versenken. Das Nächste, was wir versenken werden,
ist der Kapitalismus.«
Meinungsumfragen belegten, dass 75% der
Argentinier Sympathie für Chávez haben. 60% erklärten sich gegen oder sogar stark gegen die
Präsenz von Bush in Argentinien. Maradona griff das auf, als er auf der Kundgebung Chávez umarmte
und rief: »Argentinien hat seine Würde! Lasst uns Bush hier rauswerfen!« Die Menge
sekundierte: »ALCA zum Teufel!«, und Chávez warnte:
»Den Kampf gegen ALCA haben wir
unzweifelhaft gewonnen, wie Hebe Bonafini [von den Müttern der Plaza de Mayo] sagt. Aber passt auf,
das ist erst eine Schlacht, nur eine von vielen, die noch ausstehen und die noch unser Leben lang
beschäftigten werdern. Jetzt haben wir eine doppelte Aufgabe: Wir müssen ALCA und das
imperialistische kapitalistische Modell versenken, aber es liegt auch in unserer Hand, Genossen, die
Träger einer neuen Zeit zu sein, die Urheber einer neuen Geschichte, die Urheber von ALBA …
für die Völker Amerikas, für eine wirkliche befreiende Zusammenarbeit, für Freiheit,
Gleichheit, Gerechtigkeit und Frieden. Nur wir vereint können das tun, den Kapitalismus versenken und
den Sozialismus des 21.Jahrhunderts hervorbringen, ein neues historische sozialistisches Projekt.«
Chávez war der einzige
Staatspräsident Lateinamerikas, der auf dem Gegengipfel das Wort ergriff; Fidel Castro hatte ein
Grußwort geschickt, war aber nicht gekommen, weil Kuba als einziges lateinamerikanisches Land vom
Gipfel der Amerikas ausgeschlossen war.
Auf dem offiziellen Gipfel war es der argentinische Staatspräsident Kirchner, der in seiner
Eröffnungsrede als erster harte Kritik an »den internationalen Finanzinstitutionen, dem
Washington-Konsens, der Idee des Freihandels als Allheilmittel, Agrarsubventionen und ALCA«
äußerte, wie Pagina 12 berichtete. »Die einfache Unterschrift unter einen Vertrag wird uns
nicht auf einen leichten und direkten Weg zum Wohlstand führen«; die USA »mit ihrer Rolle
als führende globale Macht« müssten ihre Politik in der Region überdenken, da sie
»nicht nur Armut und Elend hervorbringt, sondern auch insitutionelle Instabilität … Unsere
Armen, Ausgegrenzten, unsere Länder dulden es nicht länger, dass wir mit gedämpfter Stimme
sprechen.«
Zusammen mit den Staatspräsidenten von
Uruguay, Tabare Vázquez, und Brasilien, Lula da Silva, bildeten Chávez und Kirchner den
Gegenblock zu den USA und ihrem Versuch, die Verhandlungen über ALCA fortzusetzen. Aber nur
Chávez lehnte sie rundheraus ab, bekundete dabei der Rede Kirchners öffentlich Beifall: »Das
war eine mutige Rede. Er lädt uns ein, die Dinge offen auszusprechen.«
Genau das hatte Bush vermeiden wollen, wie
eine Meldung von Reuters am 5.November enthüllte. »[Bush] hatte es peinlich vermieden,
[Chávez] auf dem Gipfel der Amerikas direkt anzusprechen, um den scharfen Anführer der Gegenseite
nicht aufzuwerten.« Chávez sollte keine Gelegenheit gegeben werden, lautstark seine
antiamerikanischen Argumente vorzutragen.
Chávez aber hielt am 1.11. auf der
Kundgebung gegen Bush vor gefülltem Stadion mit 25000 Leuten eine zweistündige Rede, Bush hielt
in der Zeit Besprechungen hinter verschlossenen Türen. »Als der Gipfel eröffnet wurde,
wurden die beiden Staatsoberhäupter so gesetzt, dass sie sich nicht hören konnte.«
Bush überließ es dem
mexikanischen Staatspräsidenten Vicente Fox, den Antrag für die Wiederaufnahme der Verhandlungen
über ALCA einzubringen. Schlussendlich war das Maximum, was die US-amerikanische Delegation in der
heftig umkämpften Abschlusserklärung erreichen konnte, die Passage: »Einige Mitglieder
halten … an unserer Verpflichtung fest, ein umfassendes und ausgewogenes Abkommen abzuschließen,
um die Handelsströme zu erweitern und in globalem Maßstab den Handel von Subventionen und
Praktiken zu befreien, die ihn verzerren.« Einige US-Medien stellten dies als einen diplomatischen
erfolg für die USA hin.
Nach dem Gipfel flog Bush nach Brasilien
und startete dort indirekte Angriffe auf Chávez. Lateinamerika habe die Wahl zwischen dem US-
amerikanischen Modell der Demokratie, die individuelle Freiheit und globalen Freihandel fördert, und
dem Schicksal anderer, nicht genannter Länder des Kontinents, die »in alten Missständen
verweilen, mit der Gefahr, in die Tyrannei zurück zu verfallen«.
Federico Fuentes
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