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Mit der Herausgabe von Empire State wurde Henry Porter vom Glasgow Herald als
der Carré des 21.Jahrhunderts gefeiert. Ähnlich wie John Le Carré versucht Porter,
Zeitgeschichte in Spionageromane umzuschreiben, und tatsächlich gelingt es ihm, eine spannende
Geschichte zu entwickeln. Auf den Sicherheitsberater des US-Präsidenten wird in der Nähe von
London ein erfolgreicher Anschlag verübt, zeitgleich findet auf dem Flughafen Heathrow ein
Identitätstausch mehrerer aus aller Welt eingeflogener Passagiere statt. Handelt es sich hier um eine
Aktion, die terroristische Anschläge vorbereiten soll? Die Agentin Isis Herrick setzt alle Hebel in
Bewegung, einschließlich illegaler, von oben nicht gedeckter Handlungen, um das Ermittlungswirrwar zu
entflechten, und stößt dabei auf ganzer Linie an Grenzen.
Aber mehr noch als seine Protagonistin stößt der Autor selber an seine Grenzen, um ihn
auf eine Ebene mit Le Carré setzen zu können. Er reproduziert gängige Klischees am laufenden
Meter: der naive UN-Vorsitzende, der allwissende und undurchsichtige Mossad, die unberechenbaren
Islamisten, die nur als Terroristen, ohne jede Persönlichkeit wahrgenommen werden, oder wenn, dann ins
Monströse aufgeblasen: Charmantes Aufsteiger-Genie, erotomanischer Vergewaltiger… und dann diese
dunklen, hasserfüllten Augen.
John Le Carré selber kann es besser
und eine literarische Ablösung seiner Sonderposition ist solange er schreibt nicht in
Sicht. Carré hat sich schon frühzeitig gegen den dritten Irakkrieg ausgesprochen und über
den dahinter verborgenen Wahnsinn einen herausragenden Roman geschrieben: Absolute Freunde. Absolute
Freunde, das sind Ted Mundy und Sascha, kennengelernt haben sie sich als Kommunarden 1968 in Berlin. Ted
Mundy, aufgewachsen im nachkolonialen Pakistan, Halbwaise mit einem ehemaligen Empiresoldaten als Vater,
durch Zufall gebildet in deutscher Sprache und Kultur, durch Zufall hineingeraten in die linke britische
Hochschulszene, zufällig gelandet in Berlin, wo alles Revolution ist. Nicht aus Zufall trifft er den
Agitator und Rädelsführer Sascha und beide werden Freunde.
Jahre später ist der politisch
mittlerweile domestizierte Mundy beim British Council beschäftigt, bei einer Reise in den Osten trifft
er Sascha wieder, der sich in die DDR abgesetzt hat, um weiterhin Widerstand leisten zu können und der
sich jetzt die Widerwärtigkeiten des Realsozialismus vornehmen will. In aller Freundschaft macht
Sascha Ted zum Doppelagenten,bis die osteuropäischen Systeme implodieren. Während sich Sascha
weiteren Widerstandsaufgaben in aller Welt widmet, muss Ted die Scherben seiner Familie zusammenkehren und
setzt sich schließlich ab nach Deutschland, wird Fremdenführer und wäre auf lange Zeit
glücklich, wenn nicht schon wieder Sascha auftauchen würde, mit der totsicheren Idee,
wirkungsvoll und legal intellektuellen Widerstand gegen die imperialistische Globalisierung leisten zu
können. Beide laufen in die Falle eines Gegners, dessen Gefährlichkeit sie sich nie auszudenken
getraut hätten.
Udo Bonn
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