SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2005, Seite 20

Henry Porter, Empire State, Berlin: Ullstein, 2005, 544 S., 8,95 Euro;
John Le Carré, Absolute Freund, München: List, 2005, 425 S., 9,95 Euro.

Mord und Todschlag

Mit der Herausgabe von Empire State wurde Henry Porter vom Glasgow Herald als der Carré des 21.Jahrhunderts gefeiert. Ähnlich wie John Le Carré versucht Porter, Zeitgeschichte in Spionageromane umzuschreiben, und tatsächlich gelingt es ihm, eine spannende Geschichte zu entwickeln. Auf den Sicherheitsberater des US-Präsidenten wird in der Nähe von London ein erfolgreicher Anschlag verübt, zeitgleich findet auf dem Flughafen Heathrow ein Identitätstausch mehrerer aus aller Welt eingeflogener Passagiere statt. Handelt es sich hier um eine Aktion, die terroristische Anschläge vorbereiten soll? Die Agentin Isis Herrick setzt alle Hebel in Bewegung, einschließlich illegaler, von oben nicht gedeckter Handlungen, um das Ermittlungswirrwar zu entflechten, und stößt dabei auf ganzer Linie an Grenzen.

Aber mehr noch als seine Protagonistin stößt der Autor selber an seine Grenzen, um ihn auf eine Ebene mit Le Carré setzen zu können. Er reproduziert gängige Klischees am laufenden Meter: der naive UN-Vorsitzende, der allwissende und undurchsichtige Mossad, die unberechenbaren Islamisten, die nur als Terroristen, ohne jede Persönlichkeit wahrgenommen werden, oder wenn, dann ins Monströse aufgeblasen: Charmantes Aufsteiger-Genie, erotomanischer Vergewaltiger… und dann diese dunklen, hasserfüllten Augen.
John Le Carré selber kann es besser und eine literarische Ablösung seiner Sonderposition ist — solange er schreibt — nicht in Sicht. Carré hat sich schon frühzeitig gegen den dritten Irakkrieg ausgesprochen und über den dahinter verborgenen Wahnsinn einen herausragenden Roman geschrieben: Absolute Freunde. Absolute Freunde, das sind Ted Mundy und Sascha, kennengelernt haben sie sich als Kommunarden 1968 in Berlin. Ted Mundy, aufgewachsen im nachkolonialen Pakistan, Halbwaise mit einem ehemaligen Empiresoldaten als Vater, durch Zufall gebildet in deutscher Sprache und Kultur, durch Zufall hineingeraten in die linke britische Hochschulszene, zufällig gelandet in Berlin, wo alles Revolution ist. Nicht aus Zufall trifft er den Agitator und Rädelsführer Sascha und beide werden Freunde.
Jahre später ist der politisch mittlerweile domestizierte Mundy beim British Council beschäftigt, bei einer Reise in den Osten trifft er Sascha wieder, der sich in die DDR abgesetzt hat, um weiterhin Widerstand leisten zu können und der sich jetzt die Widerwärtigkeiten des Realsozialismus vornehmen will. In aller Freundschaft macht Sascha Ted zum Doppelagenten,bis die osteuropäischen Systeme implodieren. Während sich Sascha weiteren Widerstandsaufgaben in aller Welt widmet, muss Ted die Scherben seiner Familie zusammenkehren und setzt sich schließlich ab nach Deutschland, wird Fremdenführer und wäre auf lange Zeit glücklich, wenn nicht schon wieder Sascha auftauchen würde, mit der totsicheren Idee, wirkungsvoll und legal intellektuellen Widerstand gegen die imperialistische Globalisierung leisten zu können. Beide laufen in die Falle eines Gegners, dessen Gefährlichkeit sie sich nie auszudenken getraut hätten.

Udo Bonn

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