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Was haben ein dichtender Guerillaführer und ein politisierender
Krimiautor gemeinsam? Es muss schon mehr sein, als dass Subcomandante Marcos und Paco Ignacio Taibo II die
Kirche meiden, da dort das Rauchen untersagt ist, um einen »vierhändigen Roman« zu
schreiben. Eigentlich hatte das Buch sogar ein »sechshändiger Krimi« werden sollen. Der
katalanische Schriftsteller Manuel Vázquez Montalbán hätte ebenfalls zu diesem Buch
beigetragen, wäre er nicht 2003 an einem Herzinfarkt gestorben.
So ist dies Buch, dessen zwölf Kapitel
zuerst als Fortsetzungsgeschichte in der mexikanischen Zeitung La Jornada erschienen, auch eine Hommage an
den erklärten Sympathisanten der zapatistischen Bewegung. Die Kapitel wurden so abwechselnd im
Lakandonischen Urwald im Süden Mexikos und im Dickicht der mexikanischen Hauptstadt verfasst.
Herausgekommen ist nicht nur eine spannende
Geschichte, in der zwei sehr unterschiedliche Ermittler zum Teil gemeinsam versuchen, mysteriösen
Meldungen auf die Spur zu kommen.
Der Roman ist vielmehr auch eine
literarische Aufarbeitung der mexikanischen »bleiernen Zeit«. Die Morde an rebellierenden
Jugendlichen am Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre in Mexiko sind aus der offiziellen
Geschichtsschreibung des Landes weitgehend verbannt. Die Leserin und der Leser werden in der Erinnerung an
unbequeme Tote mitgenommen auf die Spur des personifizierten »Bösen« aus dieser Zeit.
Morales, so der Name des
»Bösen«, ist scheinbar an den verschiedensten Schweinereien der letzten Jahrzehnte beteiligt
gewesen. So kommen im Roman Folter und Vertreibung, Verschwundene und die paramilitärischen
Schlägertrupps der 70er Jahre genauso vor wie Paramilitärs in Chiapas, der Handel mit exotischen
Tieren und Betrügereien.
Für das deutsche Publikum haben die
Verleger von Assoziation A freundlicherweise an einigen Stellen Fußnoten eingefügt, die den Weg
auf den verschlungenen Pfaden der beiden Ermittler durch die jüngste Geschichte Mexikos etwas
erleichtern. Das ist sicher nicht ausreichend, um vor allem die unzähligen Anspielungen des
Subcomandante zu verstehen, der sich an einigen Stellen auf zu vielen Abzweigungen verliert. Doch mit viel
Humor und auch Selbstironie findet er immer wieder auf den Weg zurück, auf dem Taibo II ihm
voranschreitet, obwohl das erste Kapitel vom Sub stammt. Dies hatte er mit der Aufforderung, sich an der
Erstellung des Romans zu beteiligen, dem Schriftsteller per Boten nach Mexiko Stadt geschickt.
Da Taibo II die »Art zu
schreiben« des Sub mag, konnte er einer solchen Herausforderung nicht widerstehen. Die
unterschiedlichen Stile der politischen Erklärungen des Sub, die mit dazu beitrugen, dass die
Zapatisten weltweit so einen propagandistischen Erfolg hatten, und des Krimiautors Taibo II machen den
Roman besonders reizvoll. Die unterschiedlichen Charaktere, die in diesem Buch auftauchen, geben zudem ein
getreueres Bild des Landes ab, als es unzählige Reiseführer tun.
An dieser Stelle soll auch auf die
Übersetzungsarbeit von Miriam Lang aufmerksam gemacht werden: Die verschlungenen Pfade auf die sich
der von Paco Ignacio Taibo II geschaffene kettenrauchende Detektiv Belascoarán macht, angemessen zu
übersetzen ist schon eine hervorragende Leistung. Doch um Elías Contreras, den zapatistischen
Ermittler, angemessen ins Deutsche zu übersetzen, musste sie zum Teil neue Wörter kreieren.
Elías Contreras spricht nämlich ein Spanisch, wie es in Chiapas zu finden ist, das Elemente des
Tzotzil in das Alltagsspanisch einfügt. Das ihr dies gelungen ist, lässt einen beim Lesen erst
stutzen, dann schmunzeln und am Ende freut man sich, wie die Sprache etwa durch die Möglichkeit,
»sich selbst verschwunden zu haben«, bereichert wird.
Thomas Schroedter
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