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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2005, Seite 21

Fiamma Fumana: Home, Mescal

Italienische Mischungen

Eine gehörige Portion Neugierde ist schon notwendig, um sich im Dschungel des Popmusik-Angebots auf die Suche zu machen. Selten wird in diesem Dickicht die Neugierde so belohnt wie bei Fiamma Fumana aus der Emilia Romagna im Norden Italiens. Da gesellen sich ein italienischer Dudelsack (piva emiliana), ein Akkordeon und elektronische Beats zu Fiammas Gesang der es einem ein ums andere Mal kalt den Rücken herunterlaufen lässt. Seit 1999 gibt es diese Band, deren beiden CD- Produktionen bisher einen Bogen um die Bundesrepublik Deutschland machten. Label in den USA, den Niederlanden, in Schweden und natürlich in Italien sorgen dafür, dass die CD Home ihren Weg zu den Hörerinnen und Hörern findet, nur hierzulande: Fehlanzeige.
Einzigartig, wie Djane Medhin Paolos die Musik des Dudelsacks von Lady Jessica Lombardi und des Akkordeons von Alberto Cottica durch elektronische Loops und Samples zu einem neuen Ganzen verbindet. Dabei werden viele Zitate italienischer Volksmusik verarbeitet, bis hin zu einer neuen Version des Partisanenliedes »Bella Ciao«. Dieses Lied, in Deutschland leider oft genug zu einer Mischung aus Gröhlen und Schunkeln verkommen, bekommt hier eine neue Eindringlichkeit eingehaucht. In dieser Fassung geht es nicht mehr um den Widerstand gegen die Nazibesetzung, sondern um die schwere Arbeit auf den Reisfeldern im Norden Italiens. Zusammen mit dem »Coro delle Mondine di Novi« wurde diese Version im November 2003 live aufgezeichnet.
Während bei »Bella Ciao« die Spannung des Liedes durch eine Art Entschleunigung bis nah an die Grenze der Überdehnung getrieben wird, geht es bei der Interpretation des Volkslieds »Marìdem« (Verheirate mich) mit 120 Beats per Minute umso flotter zur Sache. Dieses Lied, bei dem akustische und elektronische Elemente in einem Guss zum Tanz animieren, steht für einen Aspekt der Musik, der sich durch die gesamte Produktion zieht: Es werden Zutaten der verschiedenen musikalischen Küchen gemischt und aus den lokalen Rezepten wird durch das Hinzumischen exotischer Ideen ein Sound-Menü zubereitet, dass sättigt, nach mehr verlangt und dabei nicht ermüdend wirkt.
Auf der textlichen Eben kommt dies in »Sanguemisto« zum Ausdruck. Italien das Einwanderungsland, »Eroberer und Eroberte, Seeleute und Landfahrer, die Kinder aller dieser Menschen«, sie alle bilden sanguemisto und sorgen dafür, dass es in Italien »keine ethnische Armut gibt«.

»Gemischt ist das Blut unserer Eltern
und der Eltern der Eltern unserer Eltern.«

Neben »Bella Ciao« hat noch ein zweites Lied auf der CD seine Wurzeln im antifaschistischen Widerstand. »Pietà l‘è morta« (Das Mitleid ist tot) ist die Vertonung eines Gedichts des ehemaligen Partisanen und im letzten Jahr verstorbenen Dichters Nuto Revelli. Der Autor (Der verschollene Deutsche) hatte dieses Gedicht im Winter 1943 als neuen Text zu einer traditionellen Melodie geschrieben. Fiamma Fumana nehmen nun den Text und geben ihm eine neue Melodie.
Die Musik der Gruppe wirkt auf allen zwölf Liedern der CD wie eine zukunftsweisende Collage aus dem Gestern und Heute, dabei hebt sie nah und fern auf eine darüberliegende Ebene. Leider kümmert sich bisher auch kein deutscher Veranstalter um Auftritte von Fiamma Fumana. So touren sie durch Italien, die USA, Kanada, die Niederlande und Großbritannien, und eben nicht durch Deutschland. Die Texte sind auf ihrer Webseite (www.fiamma.org) in italienischer und englischer Sprache zu finden, ebenso wie die Möglichkeit, zwei Lieder herunterzuladen. Die CD wird von Sony Italy vertrieben und müsste im guten Plattenhandel zu bekommen sein.

Thomas Schroedter

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