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Alarm beim Verfassungsschutz - Terroristen bedrohen
Köln", titelte die Kölner Ausgabe der Boulevardzeitung Express am
26.November 1998. "Doppel-Gipfel: Terrorangst in Köln".
Offensichtlich hielt der Verfassungsschutz den Zeitpunkt für gekommen, die
Schreiberlinge des im Kölner Raum nahezu monopolistisch vertretenen
Medienriesen Neven DuMont zu informieren, daß sich gegen die für Juni
1999 geplanten Gipfel (EU- und G7-Gipfel) Widerstand formiert.
"Radikale planen Anschläge: Banken und Technologiezentrum in
Gefahr." In der Linken gehen diese Schlagzeilen längst bundesweit von
Hand zu Hand, und es wird viel gelacht.
Abgesehen von den üblichen Übertreibungen und Panikmache gilt aber
zu bedenken, daß der Express bei aller Unseriosität für
gewöhnlich gut informiert wird. So werden in dem Artikel die
Bündnisse, die gegen den Doppelgipfel mobilisieren, richtig benannt: Die
Euromarsch-Bewegung, das Linksradikale Anti-EU/WWG-Plenum und der Kreis der
Antoniterkirche, der auch für einen Schuldenerlaß der
Drittweltländer mobil macht.
Und wenn der Express schreibt, daß der Verfassungsschutz diese drei Gruppen
bereits im Visier habe, stimmt das vermutlich. Ein Peter Scherer vom
Düsseldorfer Verfassungsschutz wird zitiert, der allerdings gar nicht Peter
Scherer heißt, weil der Name nämlich "aus
Sicherheitsgründen geändert" wurde. Peter Scherer rechnet mit
50000 Demonstranten gegen die Gipfel, diese Zahl hat er offensichtlich den
Schätzungen der Gegenbewegungen entnommen: "2500 dürften
gewaltbereit sein ... Man muß mit Anschlägen gegen Banken in der
Innenstadt und gegen das Rechtsrheinische Technologiezentrum in Kalk
rechnen." "Düstere Aussichten", findet der Express.
Die Kölner Gruppe des Netzwerk Euromarsch hat den Express zu einer
Gegendarstellung aufgefordert. Wörtlich heißt es in dem Brief:
"Obwohl das Netzwerk Euromarsch sehr wohl der Ansicht ist,
daß die gesellschaftliche Macht der Banken erheblich eingeschränkt
werden muß, so hat es noch niemals zu Attentaten und Anschlägen gegen
Banken oder das Rheinisch-Technologische Zentrum aufgerufen, darüber intern
diskutiert oder wurde diesbezüglich von staatlichen Behörden
verdächtigt. Mittels Attentat und Anschlag auf die Bank, Änderungen
herbeizuführen, mag der Schmutzfantasie eines Express-Redakteurs entsprechen,
nicht jedoch den politischen Auffassungen des Netzwerks
Euromarsch."
Da der Verfassungsschutz normalerweise auch nicht schlecht informiert ist und das
alles vermutlich weiß, ist zu befürchten, daß der Express-
Artikel Auftakt einer Medienkampagne ist, die den Widerstand gegen den
Doppelgipfel im voraus kriminalisieren soll.
"Köln wird zur Festung. An jeder Ecke wird ein Polizist stehen",
wird der Verfassungsschützer zitiert. Ein gutes halbes Jahr vor den EU- und G7-
Gipfeln wird Köln medial auf den Ausnahmezustand vorbereitet. Den hat
Amsterdam auf dem letztjährigen EU-Gipfel im Juni 1997 bereits erlebt.
Vorbeugend wurde dort ein 100 Meter breiter Sicherheitskordon rund um die
Veranstaltungsorte des Gipfeltreffens gezogen. Die AnwohnerInnen innerhalb dieses
Bezirks, mußten sich einen Besuch der Amsterdamer Polizei gefallen lassen - sie
könnten ja regelrechte Widerstandsnester beherbergen. Der Polizeibesuch war
keine Zwangsmaßnahme, aber wer sich nicht besuchen lasse, so der
Polizeipräsident, mache sich dadurch verdächtig.
Was eine derartige Praxis z.B. für die nach Schätzungen der Initiative
"Kein Mensch ist illegal" etwa 20000 illegalisierten Flüchtlinge in
Köln bedeuten würde, ist nicht schwer auszumalen.