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Unter dem harmlos klingenden Titel "Mainzer
Modell für Beschäftigung und Familienförderung" hat die
rheinland-pfälzische SPD einen Vorschlag für ein künftiges Gesetz
zu den 620-DM-Jobs vorgelegt. Durch die Kombination von Zuzahlungen zur
Sozialversicherungspflicht und Kindergeldzuschlägen wollen die
Sozialdemokraten die "horizontale Gerechtigkeit in den unteren
Einkommensgruppen wieder herstellen".
Mit anderen Worten: das sogenannte Lohnabstandsgebot soll Arbeit auch für
"Kleinverdiener" wieder schmackhaft machen und zur Verfügung
stehende Gelder innerhalb der unteren Einkommensgruppen umschichten.
Dem liegt eine einfache Berechnung zugrunde: auf der Basis der heutigen
Sozialhilfesätze gibt es etwa für eine Familie mit zwei Kindern keinen
ökonomischen Anreiz, einen Bruttoverdienst zwischen 1270 Mark und 2870
Mark zu erwirtschaften, meint die Landes-SPD. In dieser Einkommensspanne
erhöhe sich das verfügbare Einkommen nicht.
Die Politiker mokieren vor allem die Bedarfsregelung für Kinder im
Sozialhilfegesetz, die Hauptursache für die Verletzung des "gesetzlich
vorgeschriebenen Lohnabstands" sei. Eine Kleinverdienerin erhalte derzeit 220
Mark Kindergeld, während bei Sozialhilfeempfängern 480 bis – rechnet
man den Wohnkostenanteil pro Kind hinzu – 850 Mark möglich seien.
Nach dem "Mainzer Modell" soll schon ab 2000 DM Brutto eine
Erwerbstätigkeit für SozialhilfeempfängerInnen attraktiv sein.
Unter dem Motto "Arbeit muß sich lohnen" sollen deshalb Familien
mit einem niedrigen Haushaltseinkommen einen Zuschlag zum Kindergeld erhalten.
Vorgeschlagen wird ein Höchstbetrag von 150 Mark (bei 250 Mark Kindergeld),
der mit steigendem Einkommen sinken soll. Dieser Zuschlag soll an die
Wohngeldberechtigung der Empfänger gekoppelt sein und wird das Einkommen
einer vierköpfigen Familie im Idealfall maximal um 300 DM gegenüber
dem derzeitigen Sozialhilfesatz erhöhen.
Grundsätzlich soll die 20 prozentige Pauschalversteuerung entfallen. Zwischen
300 und 620 DM soll ausschließlich die gesetzliche Versicherungspflicht gelten,
die vom Arbeitgeber gezahlt wird. Ab der 620 Mark Grenze setzt dann die
Sozialversicherungspflicht für die Arbeitnehmerin ein.
Diese Belastung soll abgefedert werden: Gezahlt wird ein gestaffelter Zuschuß
zur Sozialversicherung, der erst ab 1550 Mark Einkommen völlig
entfällt.
Kritiker aus Gewerkschaftskreisen bezeichnen das "Mainzer Modell" als
"Einstieg in den Niedriglohnsektor". Der Vorschlag ziele darauf ab,
"über die Zuzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen aus der
Staatskasse mehr Teilzeitarbeitsplätze zu schaffen". So soll etwa der
Sozialversicherungsbeitrag einer Alleinverdienerin, die zwischen 620 undd 1240 Mark
monatlich verdient, voll subventioniert werden.
Die Autoren des Papiers, Staatsminister Florian Gerster und Finanzstaatssekretär
Ingolf Deubel, wollen damit vor allem einen "Statistikeffekt" erreichen und
versprechen sich von den Neuregelungen, daß der "bislang arbeitslose Teil
dieser Beschäftigten nicht mehr als arbeitslos in der offiziellen Statistik
geführt würde".
Aus ihrer Absicht, einen Billiglohnsektor und damit Armut trotz Arbeit
einführen zu wollen, machen die Autoren keinen Hehl. Als "arbeitsmarkt-
und sozialpolitische Wirkung" versprechen sie sich den "Anreiz, eine
Erwerbstätigkeit mit einem relativ niedrigen Bruttoverdienst zu
übernehmen".
Gerhard Klas