Artikel SoZ


SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.25 vom 10.12.1998, Seite 6

Arzthelferinnen demonstrieren

Dortmund

Am 21.November demonstrierten über 1000 Arzthelferinnen aus dem ganzen Bundesgebiet in Dortmund für bessere Bezahlung. Aufgerufen hatte der Berufsverband der Arzt-, Zahnarzt und Tierarzthelferinnen BdA, in dem rund 35.000 Frauen aus diesen Berufen organisiert sind.
  Diese Berufe finden bei dem Gerangel um Gesundheitsreform, Ärztebudgets, Arzneimittelkosten und Krankenkassenbeiträge keine Erwähnung, ihr "dienendes" Dasein in den Praxen der niedergelassenen Ärzte wird als selbstverständlich hingenommen. Über ihre Einkommen wird wie über die niedrigen Frauenlöhne kaum diskutiert. Deshalb wurde zu der Demo aufgerufen unter dem Motto "Ohne uns läuft nichts!"
  Die Anforderungen an die Praxiskräfte sind ständig gestiegen: Umgang mit komplizierten und teuren Geräten, Verwaltung mit Computern, Ausbildungsverlängerung und medizinische Betreuung, Beratung der Patienten. Die Helferin "mit acht Armen" war denn auch eine beachtete Demoteilnehmerin. Die Gehälter der Betroffenen bewegen sich – als "typische Frauenberufe" – am unteren Ende der Gehaltsskala. Massenhafte Umwandlung von Vollzeitbeschäftigten in 620-Mark-Kräfte war vor allem in den letzten Jahren an der Tagesordnung.
  Für viele Frauen bietet der Ausbildungsmarkt kaum andere Möglichkeiten, sie finden sich notgedrungen mit den vorwiegend patriarchalischen Strukturen und der Abhängigkeit von einem Chef ab. Wenige Beschäftigte heißt darüber hinaus: kein Betriebsrat, kein besonderer Kündigungsschutz, wenig Anlaß zu tariflicher Bezahlung, kaum gewerkschaftliche Organisation. Bis vor einigen Jahren war die ÖTV mit ihrer Berufsgruppe noch nicht einmal Tarifpartei neben dem BdA und der DAG.
  Am Tag vor der Demonstration waren gerade die Tarifverhandlungen für die Arzthelferinnen unterbrochen worden, bei denen der BdA deutliche Einkommenserhöhungen und strukturelle Verbesserungen gefordert hatte. Die Ärzteschaft, unter lautem Gejammer über ihre sinkenden Einkommen, bot 1,8% sowie die Anhebung der Ostgehälter von 80 auf 82,5% der Westgehälter. Auf die Ablehnung der Vertretung der Arzthelferinnen hin sahen sie sich nicht in der Lage, vor März einen neuen Termin anzubieten!
  Streitbare Reden bestimmten die Kundgebung. Die Einkommenssituation der Helferinnen stand im Mittelpunkt, das Verhalten der Ärzte wurde kritisiert. Auch die Aufsplitterung in 620-Mark-Jobs wurde angegriffen. Die Neuregelung der rosa- grünen Regierung bietet da überhaupt keine Verbesserung. Trotz der herrschenden Kälte in Dortmund kam eine aufmunternde Aktion zustande.
 


zum
Anfang