Artikel SoZ

SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 01 vom 05.01.1999, Seite 1

Einführung des Euro

Diktatur der Zentralbank

Mit der Einführung des Euro am 01.01.99 hat ein Abenteuer begonnen, von dem niemand weiß, wie es enden wird. Der Euro soll eine neue Wirtschaftsmacht in Konkurrenz zu den USA und Japan schaffen. Dies kommt in jeder einzelnen Ausprägung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWU) zum Ausdruck – allem Geschwätz zum Trotz, das von der Faz bis zu den Grünen die EWU als unwiderruflichen Schritt zur Einbindung Deutschlands in Europa und damit als Garantie des Friedens auf dem Kontinent feiert.
  Den imperialen Charakter des Projekts stellt die Financial Times (FT) eher unfreiwillig heraus, indem sie von der "ersten Wirtschaftsunion in Europa seit dem Römischen Reich" spricht. Der Euro-Block umfaßt eine Bevölkerung von 290 Millionen, mehr als die USA.
  Dort wird, wie in den USA, ein Fünftel des weltweiten Bruttosozialprodukts erwirtschaftet, und auch der Anteil am Welthandel liegt gleichauf mit den USA bei ca.10%. Japan ist mit Abstand auf den dritten Platz verwiesen.
  Der Euro schafft einen riesigen Binnenmarkt, der die Exportabhängigkeit der meisten europäischen Länder durch eine binnenwirtschaftliche Orientierung ablöst (bisher gingen die meisten Exporte aus der EU in andere Länder der EU). Die außenpolitischen Folgen dieser Veränderung sind nicht absehbar.
  Die Tatsache, daß dieses Projekt 40 Jahre nach den Römischen Verträgen trotz anhaltender Periode wirtschaftlicher Stagnation durchgesetzt werden konnte, ist in gewissem Sinn eine Überraschung und ein großer Sieg für den Teil der europäischen Bourgeoisie, der es betrieben hat: anders als lange Zeit erwartet, hat sie sich auf die Preisgabe der nationalen Währungen und der damit verbundenen Souveränitätsrechte einigen können.
  Vor allem zwei Rechte werden jetzt den nationalen Regierungen der elf Länder entzogen, die den Euro eingeführt haben: die Festlegung der Wechselkurse und die Festlegung der Zinssätze. Beides sind wesentliche Instrumente, die eigene wirtschaftspolitische Position auf den Weltmärkten zu beeinflussen.
  Darüber entscheidet jetzt die Europäische Zentralbank (EZB) – und zwar so gut wie uneingeschränkt. Wie die absolutistischen Fürsten früher die Steuern für das Volk festgelegt haben, so legt die EZB jetzt selbstherrlich Zinssätze und Wechselkurse fest.
  Dies ökonomische Diktat ist im Vertrag von Amsterdam und im Stabilitätspakt festgeschrieben: Die Staatshaushalte dürfen ein Defizit von 3% nicht übersteigen, die Preissteigerung darf nicht mehr als 2% betragen. Den einzelnen Staaten der Euro-Zone bleibt "kein einziges makroökonomisches Instrument, um sich gegen unliebsame Schocks zu verteidigen" (FT vom 4.1.99).
  Solche Schocks drohen bereits jetzt in Form einer weltweiten Depression, und sie können, so dieselbe Zeitung, nur über den Arbeitsmarkt, sprich über Lohnsenkungen und höhere Erwerbslosigkeit, abgefedert werden.
  Die Einschränkungen des Handlungsspielraums trifft die wirtschaftlich schwächeren Länder natürlich stärker als die mächtigeren.
  Die bestehenden Institutionen der EU haben auf die Entscheidungen der EZB kaum Einfluß – weder der Ministerrat, noch gar das Europaparlament, auch nicht die Europäische Kommission. Das fällt noch hinter die Französische Revolution zurück, die zumindest den Grundsatz durchgesetzt hat, daß das Volk, das den Reichtum erwirtschaftet und die Steuern zahlt, auch darüber entscheiden soll, was mit seinem Geld gemacht wird (die Grundlage der Haushaltshoheit der Parlamente).
  Nicht einmal die sozialdemokratischen Regierungen sind sich einig, ob wenigstens der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der Euro-Länder eine Weisungsbefugnis gegenüber der EZB haben darf.
  Gleichzeitig organisieren die Verträge von Amsterdam und Luxemburg mit ihrer Weigerung, Steuerpolitik, Sozialsysteme und Arbeitsmärkte zu vereinheitlichen, auf europäischer Skala Lohn- und Sozialdumping, Preis- und Steuerkampf. In keinem anderen Währungsgebiet driften Preise, Löhne und Lebensbedingungen so weit auseinander wie in der Euro-Zone.
  Die sozialdemokatischen Regierungen unternehmen keine Anstrengungen, die Lebens- und Arbeitsbedingungen zu vereinheitlichen, wie es dem Sozialstaatsgebot entsprechen würde, das sie jahrelang hochgehalten haben.
  Schröder fordert einen "Beschäftigungspakt", aber das steht auf der Tagesordnung der deutschen Präsidentschaft im 1.Halbjahr 1999 unter "ferner liefen". An erster Stelle stehen: die Senkung des deutschen Beitrags, die Kürzung der Agrarsubventionen, die Reform des EU-Strukturfonds – damit die geplante Osterweiterung bezahlbar bleibt.
  Soweit auf dem Gipfel in Wien über den Beschäftigungspakt diskutiert wurde, ging es nur um eine eventuelle Verpflichtung der Regierungen zu einer regelmäßigen Bilanz ihrer nationalen Aktionsprogramme.
  "Die EWU ist ein Spiel um Alles oder Nichts", bemerkt die Financial Times zur Einführung des Euro. Er steht auf wackligen Beinen. Ob er den Folgen einer weltweiten Wirtschaftskrise standhält, weiß niemand. "Wenn der Euro aber scheitert, steht der gesamte europäische Integrationsprozeß auf dem Spiel."
  Wenn das Abenteuer Euro nicht in zerstörerischen Konflikten enden soll, brauchen wir eine grenzübergreifende, solidarische Bewegung für ein ganz anderes Europa:
  Eines, das sich gegen Flüchtlinge und Asylsuchende nicht abschottet; das allen in ihm wohnenden Menschen existenzsichernde Einkommen und geschützte Arbeitsverhältnisse bietet; dessen Wirtschaft sich nach dem Bedarf der Menschen, nicht nach dem höchstmöglichen Profit richtet; dessen Institutionen von der Bevölkerung direkt kontrolliert werden.
  Eine solche Europäisierung des politischen und gesellschaftlichen Lebens hat schon begonnen, die Europäischen Märsche gegen Erwerbslosigkeit, ungeschützte Beschäftigung und Ausgrenzung sind ein erstes bescheidenes Zeugnis dafür.
  Angela Klein
 


zum Anfang
Zur Artikelübersicht