Artikel SoZ

SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 01 vom 05.01.1999, Seite 3

Atompolitik

Sonderbotschafter und Bettvorleger

von Wolfgang Pomrehn

Der Ausstieg aus der Kernenergie wird innerhalb dieser Legislaturperiode umfassend und unumkehrbar gesetzlich geregelt." So haben es die Bonner Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben. An der Ernsthaftigkeit, mit der die unterschiedlichen Akteure dies betreiben wollen, darf allerdings gezweifelt werden. Da ist z.B. Wirtschaftsminister Werner Müller, ehemaliger Manager beim Stromkonzern VEBA, den das Handelsblatt Schröders "Kernkraft-Sonderbotschafter" nennt. Zweitens ist da der Kanzler selbst, vorher Verhandlungsführer der SPD in den "Energiekonsensgesprächen" der alten Bundesregierung. Seinerzeit mußte ihn seine Partei mehrfach zurückpfeifen, da er der Atomlobby goldene Brücken für jahrzehntelange Restlaufzeiten und neue Reaktortypen bauen wollte.
  Dritter im Bunde ist der grüne Umweltminister, der das eigene Gesicht und das Profil seiner Partei zu bewahren hat, nachdem diese ziemlich alles - bis auf das eine, zentrale Essential - über Bord hat gehen lassen, um in Bonn endlich mal richtig mitspielen zu dürfen. So war also der Schaukampf, der sich kurz vor Weihnachten in voller Pracht entfaltete, abzusehen. Schröder machte den Anfang und demonstrierte dem grünen Junior, was er von den Koalitionsverhandlungen hält. Im Oktober hatten die Koalitonäre noch festgehalten, daß erst eine Novelle des Atomgesetzes auf den Weg gebracht werden sollte, um dann mit der AKW-Wirtschaft zu verhandeln. Trittin staunte nicht schlecht, als sich der Kanzler, begleitet von seinem Sonderbotschafter, entgegen der Abmachungen mit den Strombossen traf und er draußen vor der Tür warten mußte. Die Atombranche zeigte sich nach diesem Treffen öffentlich beruhigt. Die Konsensgespräche, so der Kanzler freimütig, beginnen im Januar, die Novelle steht erst im Februar auf der Tagesordnung.
  Was macht der so Vorgeführte? Er schießt ein weenig mit dem Luftgewehr zurück und löst die Reaktorsicherheits- und Strahlenschutzkommission auf. Im Januar sollen sie neugebildet und neben außer den alten Lobbyisten auch ein paar Atom-Kritiker in ihre Reihen aufnehmen. Dem Konsens-Kanzler ist das schon zuviel. Er poltert los und behauptet, daß die "Alleingänge" des Grünen die Koalition gefährden würden. Mit anderen Worten: Entweder du tanzt nach meiner Pfeife, oder ich versuchs mit der FDP.
  Nun spielt und tanzt man bei den Grünen wirklich allzu gerne und das Gesicht ist ja auch schon bewahrt. Es muß kein Prophet her, um den Ausgang des Duells zu erraten: Der Ausstieg wird sich ziehen, und in vier Jahren sind die nächsten Wahlen. Ein paar "Erfolge" werden für den grünen Bettvorleger natürlich abfallen, damit sie nicht gar zu dumm dastehen. Z.B. werden demnächst die neuen Zwischenlager an den AKW-Standorten schmackhaft gemacht werden, vermeiden sie doch die ungeliebten Castor-Transporte. Überhaupt sind diese neuen Atomanlagen ganz nützlich: Sie nehmen dem Widerstand gegen das Atomprogramm einen wichtigen Fokus und sie verlängern die Laufzeiten, nach dem bereits die alte Regierung die Transporte hat einstellen müssen.
 


zum
Anfang
script