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Wenn irgendwo eine Vertreterin oder ein Vertreter der
Bahn auftaucht, wird es schon bei der ersten Anrede oft furchtbar lustig: Mit einem
schalkhaften und leicht eingefrorenen Lächeln wird richtiggestellt, daß es
nicht mehr "Deutsche Bundesbahn" heißt, sondern "Deutsche
Bahn AG" und das es diese ja auch eigentlich so richtig nicht mehr gibt. Noch
mehr Lacher hat derjenige auf seiner Seite, der versehentlich das Wort
"Reichsbahn" benutzt. Dabei bemüht sich das DB-Management
nachhaltig darum, moderne Begriffe einzuführen. Unterstützt wird dies
durch die Fachwelt. Schluß mit der Insidersprachregelung von
"Pufferküssern"; heute wird auch in diesem Bereich eine Sprache
gesprochen, die alle verstehen.
Zum Beispiel befindet sich dort, wo noch im letzten Jahr ein kleiner Bahnhof vor sich
hindödelte, heutzutage eine wunderschöne "Schnittstelle zwischen
dem SPNV und dem übrigen ÖV". Das eingängige an dem
Wort "Schnittstelle" ist, daß dort die verschiedenen
Verkehrsträger verknüpft werden sollen. Da kommt z.B. eine
Fußgängerin die Bahnhofsstraße entlang und – Schnitt – geht als
Benutzerin des öffentlichen Personennah- oder Fernverkehrs die Bahnhofstreppe
empor. Sie befindet sich im Bereich der "Station & Service AG" (eine
Namensänderung erfolgt nach Redaktionsschluß) und kann nun vom
"WC-Center" bis hin zur "Gastronomiespange" diverse
"Serviceleistungen" in Anspruch nehmen. Sie muß nicht wissen,
welche Welten zwischen dem "E-Imm" (Eisenbahn Immobilien
Management GmbH) und dem "DB-Imm" (Deutsche Bahn Immobilien
GmbH) liegen; die Vermarktung des Bahnhofs ist gelaufen und sie darf schlendern und
möglichst ihre Rolle als Konsumentin ernst nehmen. Da sie eigentlich nur mal
eben wegfahren wollte, erwartet sie möglicherweise eine
"Mobilitätsberatung", das erwartet jedenfalls das
"Mobilitätsmanagement" von ihr. Bevor sich dann für sie an
der Bahnsteigkante entscheidet, ob sie die Leistungen der Firma "Regio
AG" oder der Firma "Reise & Touristik AG" beanspruchen
wird oder gar ihr kostbares aber unhandliches Reisegepäck der Firma
"Cargo AG" anvertraut, fällt ihr unbeabsichtigerweise ein
Papiertaschentüchlein auf das Gelände der Firma "Netz
AG".
Hier nun machen wir einen Schnitt direkt innerhalb der Schnittstelle, denn das Problem
mit dem Papiertaschentüchlein kann die Frau natürlich nicht alleine
lösen. Hier setzt das "3-S"-Programm "Service + Sicherheit +
Sauberkeit" der DB AG ein. Zur Zeit ist die Zuständigkeit für das
Stück Müll noch nicht ganz geklärt, das gerade das
Firmengelände wechselte. Mit dem "3-S"-Programm, von
Mitarbeitern nun altmodisch auch als "Wohlfühl-Programm"
bezeichnet, will die Bahn ab 1999 voll auf Touren kommen. Dann nämlich
läuft das intensive Schulungsprogramm für die
"Bahnmanager" an.
Mit Hilfe des neu entwickelten "Bahnhofs-Qualitäts-Barometer
BQB" und seiner Checkliste wird der Bahnhofsmanager sehr schnell auf besagtes
Papiertüchlein stoßen, und solange es dort noch liegt, wird der Bahnhof in
der Rubrik "Sauberkeit" kaum seine Höchstpunktzahl erreichen. Die
Bahn steigt damit in das "Qualitäts-Management" ein und das
für die Überschrift mißbrauchte "Q" wird sicher der
Zentralbegriff der auslaufenden 90er und der einlaufenden 2000er Jahre werden.
Möglicherweise werden wir uns auch an "DQB AG"
gewöhnen müssen, falls sich einst die "Deutsche Qualitäts-
Bahn Aktiengesellschaft" so nennen wird. Aber das ist Zukunftsmusik.
Die letzte sichtbarste Innvovation des Unternehmens waren die im Volksmund als
"Verspätungstafeln" bezeichneten Anzeigen auf den
Bahnhöfen. Eine Idee, wirklich vom Feinsten. Sie zeigen nicht etwa an,
daß die Konkurrenz mal wieder im Stau steckt und des Bürgers liebste
Verspätungsentschuldigung sind ja nun mal die "uneinschätzbare
Fahrzeit beim Stopp and Go" sowie die mühsame Suche eines
Parkplatzes.
Das Unternehmen stellt sich auch nicht selbst als das dar, was es in der Tat ist,
nämlich das zeitlich zuverlässigste Fernverkehrsmittel zu Lande. Das
Bahnmanagement hat es doch tatsächlich geschafft, daß alle Welt
über die Unpünktlichkeit der Bahn diskutiert. Während die
Autofahrer ihren Stau lieben lernen, ist das Bahnpublikum dank der Bahn-PR
erzürnt über jeden auch nur um Minuten verlängerten Halt. Mit
einem verhältnismäßig geringen Aufwand wurden alle Erfolge der
Bahn von der Schiene geputzt. Man sollte dem Erfinder der
"Pünktlichkeitstafel" wenigstens einen Aufsichtsratsposten bei einem
Autounternehmen zubilligen, wenn er nicht ohnehin schon da sitzt.
Die "Funktionsfelder der Jufi" (Juniorfirma der DB AG) kamen in diesem
Jahr noch gänzlich ohne "drei Dinsgbums" aus, hier darf noch
chaotisch formuliert werden, z.B. "Im Team arbeiten, Schnittstellen erkennen,
gezielt kommunizieren". Mal abgesehen von diesem Wortedurcheinander scheint
"Jufi" bei allen Wortneuschöpfungen der DB AG momentan ein
herausragendes Modell zu sein, weil es ein praxisorientiertes Ausbildungsprogramm
darstellt. Was dann über die AZUBI-Zeiten hineinreichen wird in die Praxis der
großen DB, oder wie sie dann auch heißen mag, ist natürlich noch
nicht absehbar. Aber immerhin, es bleibt ein wenig Hoffnung.