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SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 01 vom 05.01.1999, Seite 4

"Bündnis für Arbeit" für einen Tag

Anfang Dezember kam im Bonner Kanzleramt die erste Runde des "Bündnis für Arbeit" zusammen. Es wurde schon im Wahlkampf als das wichtigste Projekt der Schröder-Regierung angegeben. Auch die Grünen nahmen es in ihr Programm auf, als sie meinten, mit ökologischen Forderungen allein sei die Wahl nicht zu schaffen. Arbeitslosigkeit und soziale Frage im Mittelpunkt der rosa-grünen Regierung, gebündelt im Bündnis für Arbeit – das sollte die Botschaft sein.
  Zustande kam ein "Gruppenbild mit Dame", bei dem die Frauen und die Arbeitslosen nicht mit am Tisch saßen. Allein Gesundheitsministerin Fischer durfte in die erlauchten Reihen der Schlipsträger aufrücken, der für Frauenfragen zuständigen Ministerin Christine Bergmann ward keine Einladung zuteil. Das ist ein Skandal angesichts der besonderen Belastung der weiblichen Bevölkerung durch die sozialen Folgen der flexiblen Produktion, der Billigjobs, der Teilzeitbeschäftigung wie auch der Erwerbslosigkeit. Sie finden konsequenterweise in der verabschiedeten gemeinsamen Erklärung auch keinerlei Erwähnung.
  Kontinuität zeigte sich bei den Teilnehmern, weil Schulte, Schmoldt, Henkel, Hundt und Stihl schon beim erstenmal 1996 dabei waren, jetzt ergänzt um Zwickel, Issen und Mai – nur Kanzler und Minister haben gewechselt.
  Das "Bündnis für Arbeit" überdauerte übrigens seinen ersten Verhandlungstag nicht. Es wurde sofort umgetauft in "Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit". Der Name ist hier Programm und erinnert bewußt an das "Bündnis für Arbeit und Standortsicherung" von Anfang 1996, das von DGB-Chef Schulte damals hoch gelobt wurde. Kontinuität gab es – wie von Schröder versprochen – bis in einzelne Absätze des Papiers hinein, das dann am Abend vorlag.
  Das erste konkrete Ergebnis des Tages war die ursprünglich für 2002 geplante Absenkung der Unternehmensteuern schon zum 1.Januar 2000. Unter dem Druck der Unternehmer knickt die Steuerreform an allen Ecken und Enden ein. Dabei hat die Senkung der Unternehmensteuern in den letzten Jahren keinen einzigen Arbeitsplatz geschaffen.
  Gegenüber 1996 hat sich nur die Reihenfolge verkehrt: Damals sprach die Kohlregierung zuerst von der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland und dann von der viel zu hohen Arbeitslosigkeit. Heute reden alle gemeinsam von der Überwindung der hohen Arbeitslosigkeit. Und: "Zur nachhaltigen Steigerung der Beschäftigung und zur Verbesserung der ökonomischen Dynamik sind rasche und umfassende Reformen unverzichtbar. Erste wirksame Maßnahmen sind schon jetzt möglich." Als deren wichtigste Punkte werden genannt: Senkung der Lohnnebenkosten, flexible Arbeitszeiten und Überstundenabbau, Steuersenkung für Unternehmen, Verbesserung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit, vorzeitiges Ausscheiden, tarifpolitische Maßnahmen unter Wahrung der Tarifautonomie, Chancenkapital für kleine und mittlere Unternehmen, Vermögensbildung und Gewinnbeteiligung, Abbau struktureller Hemmnisse für Unternehmensgründungen und Wachstum, Ausbau von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten für geringer Qualifizierte, Jugend und Langzeitarbeitslose, verstärkte Anreize zur Arbeitsaufnahme.
  Vor allem der letzte Punkt ist komplett übernommen aus der Schublade der Blümschen Arbeitsmarktpolitik. Wettbewerbsfähigkeit statt Sicherung des Standorts: wo ist da der Unterschied?
  Wer dieses Instrumentarium mit dem von vor drei Jahren vergleicht, wird große Übereinstimmung feststellen. Dem Funktionieren der Wirtschaft werden die Änderungen im Sozialsystem untergeordnet. Das Wort "Reform", bei dem während der Kohl-Regierung jeder an Abzüge denken mußte, hat keine neue Bedeutung bekommen. Das meiste ist so allgemein gehalten, daß konkrete Schritte gar nicht benannt werden. Die ständige Wiederholung der Forderung nach "Innovationen" zeigt auch unter Schröder nicht mehr Wirkung als unter Kohl. Die Unternehmer wollen Gewinne machen und erwarten entsprechende Lohnzurückhaltung, Senkung ihrer Steuern und der gesetzlichen Lohnnebenkosten.
  "Selbstverpflichtung der Tarifparteien" heißt, daß keinerlei Zusagen über neue Arbeitsplätze oder Einstellungen gemacht werden, ja laut Riester von den Unternehmen "nicht zu verlangen sind". Dafür Selbstverpflichtung der Gewerkschaften, etwa vom IGBCE-Vorsitzenden Schmoldt, zu moderaten Lohnforderungen, oder die Bezahlung des Vorruhestands aus den Lohnerhöhungen. Also Senkung der Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung – wovon die Unternehmen profitieren – dafür Einführung eines Tariffonds, den die Arbeiter und Angestellten selber bezahlen. Dann bleibt von der Lohnerhöhung auf Jahre nichts übrig. Und Neueinstellungen erfolgen ebenfalls nicht, denn kaum noch Kollegen arbeiten in diesen Altersgruppen in den Betrieben, und die Verpflichtung zur Neueinstellung soll laut Riester gelockert werden.
  Also bleibt vom Bündnis für Arbeit vorerst erneut die Einbindung der Gewerkschaften in die sozialdemokratische Variante der Wirtschaftspolitik – die Unterschiede zu früheren Bündnisgesprächen verblassen.
  Adam Reuleaux
 


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