Artikel |
Anfang Dezember kam im Bonner Kanzleramt die erste
Runde des "Bündnis für Arbeit" zusammen. Es wurde schon
im Wahlkampf als das wichtigste Projekt der Schröder-Regierung angegeben.
Auch die Grünen nahmen es in ihr Programm auf, als sie meinten, mit
ökologischen Forderungen allein sei die Wahl nicht zu schaffen. Arbeitslosigkeit
und soziale Frage im Mittelpunkt der rosa-grünen Regierung, gebündelt
im Bündnis für Arbeit – das sollte die Botschaft sein.
Zustande kam ein "Gruppenbild mit Dame", bei dem die Frauen und die
Arbeitslosen nicht mit am Tisch saßen. Allein Gesundheitsministerin Fischer
durfte in die erlauchten Reihen der Schlipsträger aufrücken, der für
Frauenfragen zuständigen Ministerin Christine Bergmann ward keine Einladung
zuteil. Das ist ein Skandal angesichts der besonderen Belastung der weiblichen
Bevölkerung durch die sozialen Folgen der flexiblen Produktion, der Billigjobs,
der Teilzeitbeschäftigung wie auch der Erwerbslosigkeit. Sie finden
konsequenterweise in der verabschiedeten gemeinsamen Erklärung auch
keinerlei Erwähnung.
Kontinuität zeigte sich bei den Teilnehmern, weil Schulte, Schmoldt, Henkel,
Hundt und Stihl schon beim erstenmal 1996 dabei waren, jetzt ergänzt um
Zwickel, Issen und Mai – nur Kanzler und Minister haben gewechselt.
Das "Bündnis für Arbeit" überdauerte übrigens
seinen ersten Verhandlungstag nicht. Es wurde sofort umgetauft in
"Bündnis für Arbeit, Ausbildung und
Wettbewerbsfähigkeit". Der Name ist hier Programm und erinnert
bewußt an das "Bündnis für Arbeit und
Standortsicherung" von Anfang 1996, das von DGB-Chef Schulte damals hoch
gelobt wurde. Kontinuität gab es – wie von Schröder versprochen – bis in
einzelne Absätze des Papiers hinein, das dann am Abend vorlag.
Das erste konkrete Ergebnis des Tages war die ursprünglich für 2002
geplante Absenkung der Unternehmensteuern schon zum 1.Januar 2000. Unter dem
Druck der Unternehmer knickt die Steuerreform an allen Ecken und Enden ein. Dabei
hat die Senkung der Unternehmensteuern in den letzten Jahren keinen einzigen
Arbeitsplatz geschaffen.
Gegenüber 1996 hat sich nur die Reihenfolge verkehrt: Damals sprach die
Kohlregierung zuerst von der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland
und dann von der viel zu hohen Arbeitslosigkeit. Heute reden alle gemeinsam von der
Überwindung der hohen Arbeitslosigkeit. Und: "Zur nachhaltigen
Steigerung der Beschäftigung und zur Verbesserung der ökonomischen
Dynamik sind rasche und umfassende Reformen unverzichtbar. Erste wirksame
Maßnahmen sind schon jetzt möglich." Als deren wichtigste Punkte
werden genannt: Senkung der Lohnnebenkosten, flexible Arbeitszeiten und
Überstundenabbau, Steuersenkung für Unternehmen, Verbesserung der
Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit, vorzeitiges Ausscheiden, tarifpolitische
Maßnahmen unter Wahrung der Tarifautonomie, Chancenkapital für
kleine und mittlere Unternehmen, Vermögensbildung und Gewinnbeteiligung,
Abbau struktureller Hemmnisse für Unternehmensgründungen und
Wachstum, Ausbau von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten für geringer
Qualifizierte, Jugend und Langzeitarbeitslose, verstärkte Anreize zur
Arbeitsaufnahme.
Vor allem der letzte Punkt ist komplett übernommen aus der Schublade der
Blümschen Arbeitsmarktpolitik. Wettbewerbsfähigkeit statt Sicherung des
Standorts: wo ist da der Unterschied?
Wer dieses Instrumentarium mit dem von vor drei Jahren vergleicht, wird große
Übereinstimmung feststellen. Dem Funktionieren der Wirtschaft werden die
Änderungen im Sozialsystem untergeordnet. Das Wort "Reform",
bei dem während der Kohl-Regierung jeder an Abzüge denken
mußte, hat keine neue Bedeutung bekommen. Das meiste ist so allgemein
gehalten, daß konkrete Schritte gar nicht benannt werden. Die ständige
Wiederholung der Forderung nach "Innovationen" zeigt auch unter
Schröder nicht mehr Wirkung als unter Kohl. Die Unternehmer wollen Gewinne
machen und erwarten entsprechende Lohnzurückhaltung, Senkung ihrer Steuern
und der gesetzlichen Lohnnebenkosten.
"Selbstverpflichtung der Tarifparteien" heißt, daß keinerlei
Zusagen über neue Arbeitsplätze oder Einstellungen gemacht werden, ja
laut Riester von den Unternehmen "nicht zu verlangen sind". Dafür
Selbstverpflichtung der Gewerkschaften, etwa vom IGBCE-Vorsitzenden Schmoldt, zu
moderaten Lohnforderungen, oder die Bezahlung des Vorruhestands aus den
Lohnerhöhungen. Also Senkung der Beiträge für die gesetzliche
Rentenversicherung – wovon die Unternehmen profitieren – dafür
Einführung eines Tariffonds, den die Arbeiter und Angestellten selber bezahlen.
Dann bleibt von der Lohnerhöhung auf Jahre nichts übrig. Und
Neueinstellungen erfolgen ebenfalls nicht, denn kaum noch Kollegen arbeiten in diesen
Altersgruppen in den Betrieben, und die Verpflichtung zur Neueinstellung soll laut
Riester gelockert werden.
Also bleibt vom Bündnis für Arbeit vorerst erneut die Einbindung der
Gewerkschaften in die sozialdemokratische Variante der Wirtschaftspolitik – die
Unterschiede zu früheren Bündnisgesprächen verblassen.
Adam Reuleaux