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SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 02 vom 21.01.1999, Seite 5

Hessen-Umfrage

gibt Rätsel auf

Von der am 7.Februar bevorstehenden Landtagswahl in Hessen wird auch ein erster Test für die Bonner Koalition erwartet. Nach einer von der Frankfurter Rundschau veranlaßten Umfrage drei Wochen vor der Wahl kämen auf die SPD 42 Prozent der Stimmen (4 Prozentpunkte mehr als 1995), auf die Grünen 9 Prozent (-2); die CDU erhielte unverändert 39 Prozent, die FDP 6 Prozent (-1) und die REPs blieben mit 2 Prozent draußen. Die "rot"-grüne Koalition in Hessen hätte also mit 51 Prozent eine klare Mehrheit vor CDU und FDP mit 45 Prozent.
  Im Dezember 1998 lag die SPD jedoch in einer Umfrage mit 45 Prozent weit vor der CDU, der nur 37 Prozent vorausgesagt wurden. Der Vorsprung von "Rot"- Grün ist also geschmolzen.
  Auf den ersten Blick rätselhaft ist die Meinung der Wahlberechtigten über zwei zentrale hessische Streitthemen. 58 Prozent stimmen einem weiteren Ausbau des Frankfurter Flughafens zu. Sogar eine Mehrheit von 56 Prozent der betroffenen Anrainer ist dafür und nur 37 Prozent von ihnen dagegen. Zwar sind 54 Prozent potentieller SPD-Wähler für eine neue Landebahn, und von den Grünen sind 71 Prozent dagegen. Aber auch bei den Grünen beantworteten 60 Prozent die Frage, ob die Kapazitätsausweitung des Flughafens Arbeitsplätze schaffe, mit "Ja".
  Da zugleich für 67 Prozent in Hessen die Arbeitslosigkeit das wichtigste politische Thema ist (in anderen Ländern sogar für 80 Prozent und mehr!), muß man sich fragen, ob die Gegner der Flughafenerweiterung nicht versäumten, eine Alternative zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu benennen. So etwa eine erhebliche Reduzierung der Arbeitszeit, um eine Wegrationalisierung eines Teils der 50000 Arbeitsplätze zu verhindern und neue zu schaffen.
  "Rot"-Grün erhielt für seine Wirtschafts- und Umweltpolitik von 55 Prozent der Befragten Zustimmung. Mit der Arbeitsmarkt- und Ausländerpolitik war jedoch nur ein Viertel zufrieden.
  Sogar 53 Prozent von denen, die SPD wählen wollen, übten Kritik an der Ausländerpolitik. Die CDU nutzt hier mit ihrer Propagandaschlacht gegen die doppelte Staatsbürgerschaft eine brisante Schwachstelle der SPD aus. Fragt sich nur ob die Asylpolitik der SPD, die Menschenjagd an den östlichen Grenzen, die in Massenmedien verbreitete Mär von der höchsten Kriminalitätsrate bei Ausländern, nicht der Öffentlichkeit den Eindruck vermittelt, auch die Arbeitslosigkeit ginge auf ihr Schuldkonto.
  Zwei Drittel der SPD-Anhänger und die Hälfte von den Grünen finden übrigens auch die Verbrechensbekämpfung unbefriedigend, und 54 Prozent der Grünen sind mit der Schulpolitik ihrer Regierung unzufrieden.
  Erstaunlicherweise finden 59 Prozent der hessischen Bevölkerung es richtig, daß die Bundesregierung aus der Atomenergie aussteigen will. Allerdings finden 41 Prozent den angepeilten Zeitpunkt von 20 Jahren "gerade richtig", während 27 Prozent schneller und 19 Prozent langsamer vorgehen wollen.
  Im nahe gelegenen Atomkraftwerk Biblis wünschen sich jedoch 48 Prozent ein möglichst rasches Abschalten des Reaktors, weitere 24 Prozent sind für eine Zehnjahresfrist.
  Daß der schmelzende Vorsprung von "Rot"-Grün zu einem Regierungswechsel in Richtung CDU/FDP führt, ist es eher unwahrscheinlich. Denn immerhin meinen nur 29 Prozent der hessischen Wahlberechtigten eine CDU- geführte Landesregierung könne die Probleme besser lösen, während 48 Prozent sie dazu nicht in der Lage sehen.