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SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 02 vom 21.01.1999, Seite 7

Mumia Abu-Jamal weiter von Hinrichtung bedroht

Wiederaufnahme des Verfahrens abgelehnt

Das Leben von Mumia Abu-Jamal, der seit 16 Jahren in einer US- amerikanischen Todeszelle inhaftiert ist, steht abermals auf der Kippe. Im August 1995 konnte die geplante Hinrichtung des schwarzen Journalisten durch eine internationale Solidaritätskampagne in den USA, in Europa und Afrika verhindert werden. Am 29.Oktober 1998 hat der Oberste Gerichtshof von Pennsylvania den Berufungsantrag von Mumia Abu-Jamal zur Wiederaufnahme seines Verfahrens von 1982 abgelehnt und so die juristische Grundlage für einen neuen Hinrichtungstermin geschaffen.
  Mit 14 schloß sich der heute 43jährige der Schwarzenorganisation Black Panthers an. Nach deren Zerschlagung arbeitete Jamal als Rundfunkjournalist in Philadelphia. Wegen seiner polizeikritischen Beiträge erhielt er von den Schwarzen der Stadt bald den Beinamen "voice of the voiceless" (Stimme der Stimmlosen) und machte sich bei der Polizei verhaßt.
  Das 1982 ausgesprochene Todesurteil geht auf einen Vorfall von 1981 zurück: Zufällig kam Mumia dazu, als sein Bruder wegen eines Verkehrsdelikts von einem Polizisten zusammengechlagen wurde. Was sich dann abspielte, ist bis heute unklar. Es gab einen Schußwechsel, an dessen Ende der Polizist tot und Mumia schwer verletzt mit einem Bauchschuß am Boden lagen.
  Augenzeugen, die einen dritten Mann davonrennen sahen und das auch zu Protokoll gegeben hatten, lud das Gericht während des Prozesses 1982 nicht vor. Vor allem die rechtsgerichtete Polizei"gewerkschaft" Fraternal Order of Police (FOP) machte sich für eine Verurteilung und Hinrichtung Mumias stark.
  Spätestens ab diesem Zeitpunkt wurde der Fall politisch. Um die vorsätzliche Tötung des Polizisten zu beweisen - und dies ist Voraussetzung für eine Mordanklage - verlas die Anklage einen Artikel Abu-Jamals aus dem Jahre 1970, in dem er die platte Feststellung Mao Zedongs "Alle Macht kommt aus den Gewehrläufen" zitiert hatte. Damit war für die Geschworenen (zehn Weiße und zwei Schwarze) der "Vorsatz" bewiesen, und der schwarze Polizeikritiker wurde zum Tode verurteilt.
  Der gleiche Richter Albert Sabo, der damals diesem fragwürdigen Prozeß vorsaß, hatte Ende 1995 über einen Antrag Abu-Jamals auf ein Wiederaufnahmeverfahren zu entscheiden. Richter Sabo lehnte diesen Antrag erwartungsgemäß ab.
  Die Richter des Obersten Gerichtshofs gestanden bei der Prüfung des Berufungsantrags zwar zu, daß es im ursprünglichen Verfahren 1982 zu Verfahrensfehlern gekommen sei: Zeugen seien unter Druck gesetzt und von Ermittlern und Polizei zu Falschaussagen genötigt worden. Aber selbst wenn das Verfahren korrekt gewesen wäre, hätten die Geschworenen nicht anders abgestimmt. Mit dieser Begründung lehnten die Richter eine Berufung ab.
  Das Gericht räumte ebenfalls ein, daß sich der Schlüsselzeuge des gesamten Verfahrens, ein Polizist, widersprüchlich geäußert habe.
  In seiner ersten Zeugenaussage hatte er von einem angeblichen Mordgeständnis Mumia Abu-Jamals nichts gewußt, später dann aber behauptet, zwei andere Kollegen hätten das Geständnis gehört. Dem Obersten Gerichtshof schien diese Vergeßlichkeit "verständlich". Der merkwürdige Zeuge war, als der Prozeß 1982 sich dem Ende näherte, "in Urlaub" und konnte nicht mehr zu seinen widersprüchlichen Aussagen befragt werden. Richter Sabo ließ damals das Verfahren nicht einmal verschieben, um den Schlüsselzeugen suchen zu lassen. Auch diesen Umstand ließen die obersten Richter nicht gelten, statt dessen hielten sie die Beweise, die das Gericht damals für das Todesurteil herangezogen hatte, für schlüssig: die Wortwahl Mumias als junger Black Panther in einer politischen Erklärung Anfang der 70er Jahre.
  Und auch den Befangenheitsantrag gegen den damaligen Richter lehnten sie rundweg ab, obwohl sich inzwischen herausgestellt hat, daß Sabo früher einmal Mitglied der Fraternal Order of Police war. Das lasse nicht auf Voreingenommenheit schließen, erklärten die obersten Richter.
  Abu-Jamals Anwalt Len Weinglass fordert eine neue Anhörung. Wenn das abgelehnt wird, ist Thomas Rich, Anfang November wiedergewählter Gouverneur von Pennsylvania, am Zug. Er ist ein rechtsgerichteter Republikaner, war vorher Staatsanwalt und im Vietnamkrieg Scharfschütze in einer Spezialeinheit.
  Wie bereits in seinem Wahlkampf 1995 angekündigt, hat er in seiner bisherigen Amtszeit schon viele Hinrichtungsbefehle unterschrieben, darunter auch 1995 den gegen Mumia Abu-Jamal. Das wird er mit Sicherheit wieder tun. Dann haben die Anwälte nur noch die Möglichkeit, vor einem Bundesgericht die Aussetzung der Hinrichtung und die Wiederaufnahme des Verfahrens zu beantragen.
  Ein Bundesrichter kann dann innerhalb weniger Tage entscheiden. Bei einer Negativentscheidung gibt es noch eine Berufungsmöglichkeit vor einer Kommission. Falls auch hier das Ergebnis negativ ist, könnte Mumia innerhalb von zwei Monaten hingerichtet werden.
  "Öffentlicher Druck auf nationaler und internationaler Ebene ist wichtig", sagt Dan Williams, einer der Anwälte Mumias, angesichts der jetzigen Situation. Anfang November gab es bereits Demonstrationen mit mehreren tausend Teilnehmern in verschiedenen US-Städten.
  Aktionen fanden auch in Frankreich, Südafrika und den Niederlanden statt. In der BRD gab es vom 5. bis 12.Dezember bundesweite Aktionstage der "Kampagne Mumia Abu-Jamal" mit Aktionen in mehreren Städten. Die IG Medien und DGB-Kreisverbände fordern die sofortige Aufhebung des Todesurteils.
  Das "Bündnis Köln 99", das bundesweiter zur Demonstration gegen den Weltwirtschaftsgipfel in Köln am 19.6.99 aufruft, wird Mumia Abu-Jamal bzw. einen seiner Rechtsanwälte als Redner einladen.
  Doch schon vorher muß die Solidaritätskampagne mit Mumia intensiviert werden. Die Zeit drängt.
  Titus Schmidt
 
  Für alle, die was tun wollen:
  Infomaterial, Unterschriftenlisten und Infos über örtliche Aktivitäten bei: Kampagne Abu-Jamal, c/o Archiv 92, Postfach 150323, 28093 Bremen, Fon (0421) 354029, Fax 353918.