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Für Existenzgeld und eine radikale Arbeitszeitverkürzung - Zur
Kritik der Lohnarbeitsgesellschaft" lautet der Titel der Konferenz, die die Gruppe fels (Für
eine linke Strömung) am 19.-21. März 1999 in Berlin organisiert. Anbei die
Konferenzankündigung.
Im Zuge neuer Verwertungsbedingungen und -anforderungen verändert sich der kapitalistische
Weltmarkt. Neue Formen internationaler Ausbeutung und Arbeitsteilung, nationaler und internationaler
Regulation entstehen. Gleichzeitig haben sich mit den Auseinandersetzungen, Kämpfen und
Reformversuchen rund um das fordistisch regulierte Zuhause, mit dem Mai '68, den neuen
sozialen Bewegungen die Lebensweisen und -vorstellungen verändert. Mit
"Globalisierung" oder "Postfordismus" wird versucht, einen Begriff für
diese Veränderungen zu finden.
"Existenzgeld für alle!" kann dabei eine antikapitalistische Forderung sein, die auf den
Abbau des sogenannten Sozialstaats reagiert, muß es aber nicht. Sie ist eine ambivalente Forderung
in einer widersprüchlichen Gesellschaft. Ein antikapitalistischer Politikautomatismus ist nicht
vorhanden. Wie die Begriffe Postfordismus oder Globalisierung kann auch die Existenzgeldforderung
zum Vokabular eines kapitalistischen Modernisierungsprogramms zählen. Sie liegt mitten im
umkämpften Terrain.
Während z.B. die wirtschaftsliberale Seite eine neue, flexibilisierte Billigarbeitskraft schaffen will,
geht es beim Existenzgeld-Arbeitstreffen im Frühjahr darum, die Forderung nach Existenzgeld in
den Kontext linker Debatten zu stellen.
Die bürgerlichen Grundsicherungsmodelle beziehen sich alle auf die Erosion eines bestimmten
historischen Verhältnisses von Lohnarbeit und Existenzsicherung. Sie suchen nach einer neuen
Figur für das Verhältnis von Kapital-Lohnarbeit-sozialer Existenz.
Die Debatte dreht sich dabei um das sogenannte "Normalarbeitsverhältnis", das
prekären Beschäftigungen weicht; um die Wirtschaftseinheit Kleinfamilie, die
allmählich von unterschiedlichen Individualisierungen oder Zusammenschlüssen ersetzt
wird; um Frauen, die nicht mehr Teil einer "Ernährerehe" sind, sondern sich auf dem
Arbeitsmarkt befinden; um zu starre Arbeitsschutzregelungen, die flexibilisiert werden müssen
usw.
Dieser bunte Argumentereigen, der oft unter dem soziologischen Slogan vom "Ende der
Arbeitsgesellschaft" gefaßt wird, gehört zur Verabschiedung des sog. keynesianischen
Wohlfahrtsstaats. Die bürgerlichen Sozialstaatsvisionen doktorn an den oben genannten
Phänomenen herum und wollen dabei alle irgendwie die kapitalistische Regulation modernisieren.
Grundsätzlich bleiben Arbeitszwang, patriarchale Codierung von Produktions- und
Reproduktionsarbeiten, von Gegenstands- und Gefühlsarbeiten, bleiben rassistische
Ausschlüsse von Flüchtlingen und die Selbstverständlichkeit arbeitsintensiver
Billigarbeit, die vielfach MigrantInnen vorbehalten werden, bestehen.
Die Existenzgeldforderung wird von Arbeitslosen-, JobberInneninis und linken Gruppen meist mit
"1500 Mark für alle plus Warmmiete!" veranschlagt. Mit ihr wird versucht,
kapitalistische Modernisierung von innen anzugreifen, indem sie mit verschiedenen existierenden
politischen Praktiken verbunden wird - die Tatsache voraussetzend, daß es kein Außen gibt,
kein Außerhalb von kapitalistischen Suchbewegungen nach neuen Regulationsformen. Es geht also
darum, politische Verbindungen zu konstruieren und sich wechselseitig überformende
Herrschaftsverhältnisse sichtbar zu machen und zu verändern. Dabei können - wenn
alles gut läuft - verschiedene Praktiken wie feministische Politik, JobberInneninis,
Antirassismusarbeit usw. aneinander anknüpfen und sich gegenseitig verstärken.
Die auf eine Initiative von F.e.l.S zurückgehende Konferenz, zu der ca. 250 Menschen erwartet
werden, wird derzeit hauptsächlich von den Zeitungen Arranca!, Analyse & Kritik (ak),
Hilfe, Diskus und den Gruppen B-Books (Berlin), Blauer Montag (Hamburg), Exit (Frankfurt) sowie der
Antineoliberalismusgruppe der FU (Berlin) getragen und vorbereitet. Im Rahmen der Konferenz tauchen
die oben kurz angerissenen Fragen in unterschiedlichen AGs auf. In Beilagen zu den nächsten
Ausgaben der Zeitungen Arranca!, ak und diskus werden der konkrete Ablauf und die Inhalte der AGs
vorgestellt.
Wer's eiliger hat, kann uns schreiben oder im Internet nachsehen: F.e.l.S. c/o Schwarze Risse,
Gneisenaustraße 2a, 10965 Berlin, E-Mail: fels@mail.nadir.org -
http://www.nadir.org/nadir/initiativ/fels/konferen