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SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 03 vom 04.02.1999, Seite 2

Alternative zum Krieg

Balkan

Im Dorf Racak 45 kosovo-albanische Tote, darunter ein zwölfjähriges Kind - "als Zivilisten getarnte Terroristen" der UCK, wie die serbische Regierung behauptet? Unabhängig vom Urteil über Ziele und Methoden der UCK - der Begriff "Terrorismus" dient zur Kriminalisierung eines politischen Anliegens: der Unabhängigkeit des Kosovo. Dieses wird durch den Terror der serbischen bewaffneten Kräfte unterdrückt.
  Hinter den neuen Kämpfen steckt die Ablehnung der im Oktober vergangenen Jahres zwischen Milosevic und den Weltmächten ausgehandelten Vereinbarung. Diese entstand nach einer mehrere Wochen andauernden serbischen Offensive, die den Widerstand der UCK brechen sollte. Sie beinhaltete den Rückzug der serbischen bewaffneten Kräfte, die Rückkehr der kosovo-albanischen Flüchtlinge in ihre Dörfer, 2000 OSZE-Beobachter zur Überwachung und Verhandlungen über den Status des Kosovo.
  Milosevic akzeptierte aus zwei Gründen: Erstens hoffte er, die Guerilla liquidieren zu können und dann nur noch mit dem gemäßigten Präsidenten des Kosovo, Ibrahim Rugova, zu tun zu haben, zweitens kamen ihm die NATO-Drohungen innenpolitisch durchaus gelegen. Sie förderten die serbisch-nationalistischen Stimmungen und erleichterten die Einrichtung der Pressezensur.
  USA und NATO sind im übrigen wie Milosevic strikt gegen die Unabhängigkeit des Kosovo. Angestrebtes Ergebnis von Verhandlungen ist eine Art Autonomie im Rahmen der bestehenden Staatsgrenzen. Ibrahim Rugova wäre der Wunschpartner; die UCK müßte dafür an den Rand gedrängt werden.
  Die NATO-Drohung, serbische Ziele zu bombardieren, hat die UCK dazu ermutigt, ihren Guerillakampf wiederaufzunehmen. Der Tod eines serbischen Polizisten, die Festnahme mehrerer serbischer Soldaten als Geiseln, die später von der UCK unter dem Druck der OSZE wieder freigelassen wurden, haben sicherlich Haß und Revanchegeist weiter geschürt. Bis heute ist unklar, ob es sich um zu verurteilende Akte der UCK oder um Provokationen ultranationalistischer serbischer Paramilitärs handelt.
  Die serbische Regierung verhindert die Aufklärung der Hintergründe. Offiziell ist die Regierung für Dialog; ihre paramilitärischen Kräfte erledigen die Drecksarbeit gegen die UCK. Dieses Doppelspiel wird durch die Denunziation der UCK als "terroristisch" legitimiert, anstatt sie als Bestandteil eines Dialogs über die Zukunft des Kosovo anzuerkennen.
  Adem Demaqi ist Sprecher der UCK. Im Rahmen eines Dialogs müßte er die Sache der Unabhängigkeit vertreten dürfen. Doch das geht nicht ohne Rückzug der serbischen paramilitärischen Kräfte. Die betroffene Bevölkerung soll selbst entscheiden, wer ihre Bestrebungen zum Ausdruck bringt und wer nicht.
  Die UCK ist eine politische Kraft unter anderen. Sie ist selbst zweifellos uneinheitlich, und sie steht in scharfer Opposition zu Präsident Rugova, der im März 1998 mit großer Mehrheit zum Präsidenten der "Republik Kosova" gewählt wurde. Zeugenaussagen belegen sowohl die Unterstützung der UCK durch Teile der Bevölkerung als auch Gewaltakte der UCK gegen Teile der Bevölkerung, die nicht bereit sind, ihr zu folgen.
  Der Kosovo mit seiner zu 80 Prozent albanischen Bevölkerung kann nicht unter serbischer Vormundschaft bleiben. Ohne Selbstregierung der Bevölkerung des Kosovo, allerdings unter Wahrung aller Rechte der serbischen Minderheit und des Rechts auf freie Ein- und Ausreise in die Nachbarstaaten, wird es keine friedliche Lösung geben.
  Die Alternative lautet: ein freier Staatenbund, der allen seinen Bevölkerungsteilen einen gleichberechtigten Status einräumt - und eine Wirtschaftspolitik, die allen Menschen das Recht auf existenzsichernde Erwerbsarbeit bzw. Bodennutzung garantiert.
  Catherine Samary
  (Aus: Rouge, Nr.1811, 21.1.1999.)