Artikel |
Der lang anhaltende Aufschwung der extrem rechten Front National (FN) ist eine der
bedrohlichsten politischen Entwicklungen in Frankreich. Nun ist die Spaltung dieser Partei vollzogene Tatsache. Damit
kulminierte der Streit zwischen dem "historischen Führer" und Vorsitzenden der FN, Jean-Marie Le Pen,
und dem am 9.Dezember 1998 seines Amtes enthobenen Generalbeauftragten Bruno Megret, der am 23.Dezember aus der
Partei ausgeschlossen wurde.
Le Pen warf seinen innerparteilichen Gegnern vor, einer "extremistischen, aktivistischen und sogar rassistischen
Minderheit" anzugehören. Doch die Interpretation des Konflikts als ideologische Differenz zwischen einem
"gemäßigten" und einem "extremistischen" Flügel wäre verfehlt.
Inhaltlicher Streitpunkt war die Frage der Bündnispolitik gegenüber dem traditionellen bürgerlichen Lager.
In der FN-Zeitung National Hebdo erklärte Le Pen: "Es scheint, als ob ich in den Augen bestimmter ehrgeiziger
Herren, die zu allem bereit sind, um Karriere zu machen, das einzige Hindernis für fruchtbare Wahlbündnisse
mit der Rechten sei."
Le Pen setzt darauf, die Krise der "gemäßigten" Rechten durch Propaganda weiter zu
verschärfen. Megret und seine Anhänger wollen das bürgerliche Lager mit taktischen Mitteln aufmischen.
Als Modell dient ihnen das Vorgehen der FN bei den Regionalwahlen im März des vergangenen Jahres. Die
Unterstützung der bürgerlichen Rechten gegen die Kandidaten der Linken löste damals Spaltungen im
bürgerlichen Lager aus.
Der Konflikt in der FN hatte alle Merkmale eines Kampfs von Clanchefs, deren braune Grundsatzpositionen keinen
relevanten Unterschied aufweisen. Bruno Megret war führendes Mitglied der gaullistischen Partei, der gleichzeitig mit
ihm auf Betreiben von Le Pen ausgeschlossene Jean-Yves Le Gallou Funktionär der konservativ-liberalen UDF, bevor
sie Mitte der 80er Jahre in die FN.eintraten. Doch beide entstammen ultrarechten offen rassistischen und antisemitischen
"Denkfabriken". Ihre Tätigkeit in den "normalen" Parteien der bürgerlichen Rechten war
Unterwanderungstaktik. Ihre Kritik an Le Pen bezieht sich hauptsächlich auf dessen selbstherrlichen
Führungsstil. Le Pen reagierte auf die Parteikrise denn auch mit einer großangelegten
"Säuberungsaktion".
Am 23. und 24.Januar hielten Bruno Megret und seine Anhänger einen Außerordentlichen Kongreß ab, der
von Le Pen samt Anhang boykottiert wurde. Damit ist die Spaltung vollzogen. Fast zwei Drittel der FN-
Bezirksorganisationen, die Hälfte ihrer Regionalparlamentsabgeordneten und viele Mitglieder des militanten
Ordnerdienstes folgten Megret. Die Mehrheit der Aktiven dürfte auf seiner Seite stehen.
Doch damit ist die Frage der Hegemonie im Lager der extremen Rechten nicht entschieden. Die Fähigkeit, eine straffe
Kaderorganisation aufzubauen und eine ausgeklügelte politische Taktik zu entwickeln, sprechen für das Projekt
Megrets. Doch die Zustimmung unter den Aktiven der Partei und unter den Wählern und Wählerinnen ist nicht
dasselbe.
Mit der populistischen Ausstrahlung Le Pens können weder Mégret noch sonst ein bekanntes Mitglied seiner neuen
Organisation konkurrieren. Die erste Herausforderung sind die Wahlen zum Europäischen Parlament. Ein Antritt und
krasser Mißerfolg würde die neue Partei wahrscheinlich vor große Probleme stellen. Über das Recht
zur Verwendung des Parteinamens Front National werden vermutlich die Gerichte entscheiden.
Die Spaltung der FN ist für die Linke erfreulich, doch sollte sich niemand in Sicherheit wiegen. Nach dem
"Führer"-Prinzip organisierte Parteien mit einem "Führer", der über 70 Jahre alt
ist wie Le Pen, können alleine deshalb in eine Krise geraten. Bei ansonsten unveränderten Rahmenbedingungen
einer Linksregierung, die die sozialen Probleme nicht löst und den Interessen des Kapitals verpflichtet bleibt, kann die
extreme Rechte aus einer solchen Krise letztlich sogar gestärkt hervorgehen.
Nadine Renard