Artikel SoZ

SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 03 vom 04.02.1999, Seite 6

Kurzarbeit bei der Steinkohle

Nach mehreren Jahren wird es 1999 wieder Kurzarbeit im Bergbau geben. Während über dem nördlichen Ruhrgebiet noch immer der Stillegungsdruck mehrerer Schachtanlagen lastet, heißt es für die Kumpel erneut, daß sie 21 "Feierschichten" hinnehmen sollen. Auf sechs Schachtanlagen sollen in den sieben Sommermonaten an jeweils drei Tagen die Fördermaschinen stehen bleiben. Das alles zusätzlich zu den vielen tariflichen Freischichten, die den Personalüberhang bei der Deutschen Steinkohle AG (DSK) ausgleichen und helfen sollten, betriebliche Kündigungen zu vermeiden.
  Das alles zusätzlich zum Lohnabbau, der den Anpassungsprozeß im Bergbau seit Jahren begleitet. So werden den betroffenen Bergleuten in diesem Jahr erneut Hunderte Mark abgezogen. Zusätzlich bleibt die Drohung erhalten, bei einer Verschlimmerung der Lage auch noch auf Weihnachtsgeld zugunsten weiterer Freischichten verzichten zu müssen.
  Wie auch schon bei dem vorgezogenen Stillegungsprogramm Ende vergangenen Jahres werden wirtschaftliche Gründe bei der DSK angeführt. Der Thyssen-Krupp-Konzern habe 1,4 Millionen Tonnen weniger bestellt, heißt es zur Begründung von Kurzarbeit. "Absprachewidrig" werde Kohle zu Dumpingpreisen aus Polen importiert. Die zurückgehende Stahlkonjunktur wird herangezogen.
  Diese schlechten Nachrichten wurden vom zweiten Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Südhofer, der Presse gegeben, der den Bereich Bergbau in der Gewerkschaft führt, und Aufsichtsrat bei der Ruhrkohle ist.
  Soll so die Kurzarbeit "den Polen" angelastet werden, nicht aber den Kapitalisten als Verursachern? Die Gewerkschaft "trägt die Kurzarbeit mit", weil es wegen der schwierigen Lage des Bergbaus keine Alternative gebe. Das wird die Stimmung der Kumpel nicht gerade verbessern.
  Nun droht auch der Pleitegeier über der Kokerei Kaiserstuhl in Dortmund. Sie ist vor wenigen Jahren auf dem Gelände der Hoesch-Hüttenwerke gebaut worden als Ersatz für alte Kokereien der Ruhrkohle. Sie wird im Gas- und Hitzeverbund mit den Hochöfen betrieben. Schon die kommende Stillegung der Hochöfen aufgrund des Zusammengehens von Krupp-Hoesch mit Thyssen zerreißt diesen technischen Verbund.
  Damit ist die Wirtschaftlichkeit dieser Kokerei entscheidend in Frage gestellt. Nun kommen die Importe hinzu, so daß die Kumpel der RAG-Kokereien das Schlimmste befürchten müssen. Der neue Importkohlehafen der Ruhrkohle AG in Duisburg wirft ein Licht auf die Geschäftspolitik der Ruhr-Konzerne.
  Die mittleren Gewerkschaftsfunktionäre, die ihren Kumpeln eine Hiobsbotschaft nach der anderen verkünden mußten, fangen vielleicht an, über diese Zusammenhänge mal nachzudenken. Denn die Vereinbarungen vom März 1997, die die Kohl-Regierung unter dem Druck der Kumpeldemonstrationen in Bonn einging, werden nun von der Ruhrkohle selber durch beschleunigte Stillegungen gebrochen.
  Adam Reauleaux