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Am vergangenen Wochenende tagten die angeblich wichtigsten Männer der Welt in Davos,
darunter über 1000 Bosse des internationalen Kapitals, 40 Staats- und Regierungschefs und ein Haufen genehmer
Publizisten und Wissenschaftler. Das Wetter sorgte für eine Situation mit Symbolwert. Schneefall und Kälte
brachten einiges durcheinander, sorgten für zeitweiligen Stromausfall und organisatorische Schwierigkeiten. Das
Thema lautete diesmal Managing the Impact of Globalization, frei übersetzt: "Wie werden wir mit den Geistern
der global freigesetzten Marktkräfte fertig, die wir gerufen haben?" Allgemeines Fazit war, daß es sich nicht
mehr um die Krise einiger Weltregionen handelt, sondern um die Gefahr einer weltweiten Krise mit unabsehbaren
Folgen.
So erklärte Kenneth Courtis, Chefökonom der Deutschen Bank in Japan, es könne alles wieder gut
werden, wenn bloß Zinsen und Steuern gesenkt werden. Andererseits würden aber in Zukunft auch die
Währungen der mächtigsten Industrieländer - Dollar, Euro und Yen - gewaltigen Kursschwankungen
ausgesetzt sein. Der Weltwirtschaft drohe dann "eine Krise, so schlimm wie die große Depression in den 30er
Jahren".
Nach der sogenannten Asienkrise kamen die Japankrise, die Rußlandkrise und schließlich die Brasilienkrise. Die
Hauptfurcht der Bosse und Banker besteht aber nicht darin, daß sich diese Krisen ausweiten, sondern daß sie auf
die Metropolen übergreifen. Als besonderer Schwachpunkt gelten die USA. Die derzeitige Konjunktur beruht auf einer
relativ hohen Binnennachfrage, die sich wiederum auf hohe Aktienkurse stützt. Die Höhe dieser Kurse aber ist
hochgradig spekulativ, sie drückt die Erwartung zukünftiger Gewinne aus, die realwirtschaftlich nie kommen
werden. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Blase platzt. In einer Weltwirtschaft, die sich bereits zu 40 Prozent
in der Rezession befindet, würde damit der wichtigste der letzten Motoren ausfallen.
Der Spiegel (5/99) nannte das Treffen in Davos einen "Gipfel der Ratlosigkeit". Tatsache ist, daß immer
mehr Zweifel an den neoliberalen Dogmen geäußert werden. Die bundesdeutschen Vorschläge zu
regulierenden Eingriffen in die Finanzmärkte stoßen dennoch auf wenig Widerhall. Doch gibt es unter den
"wichtigten Herren der Welt" eine neue diffuse Stimmung bezüglich der sozialdemokratisch
geführten Regierungen in Europa. Sie werden nicht mehr als Gefahr gesehen, sondern als Chance für eine
zumindest vorübergehend neue Linie, mit der die spekulativen Verluste der jüngeren Zeit ausgeglichen werden
könnten - mit der Durchsetzung einer rigiden Spar- und Steuerpolitik, die von den abhängig Beschäftigten
akzeptiert wird, weil es sich ja um "ihre" Regierungen handelt. Wenn die Sozialdemokratie ihre
Sanierungsaufgabe geleistet hat - so die Vorstellung -, bekommt sie einen Tritt und kann gehen.
Zum Glück blieben die Herrschaften vom Kapital in Davos nicht ganz unter sich. Trotz eisiger Kälte und aus der
halben Schweiz herangekarrter Polizisten einschließlich Wasserwerfer und russischer Helikopter, um notfalls noch mehr
Ordnungstrupps einzufliegen, demonstrierten an die 200 bei minus 16 Grad Celsius gegen die unmenschliche Weltordnung
der Plusmacherei. Kaum hatte sich der Demonstrationszug formiert, wurde ihm auch schon von mobilen Polizeisperren mit
ausklappbaren Gittern der Weg versperrt. Die Demoanlage war unauffindbar - offenbar konfisziert -, und so wurden die
Reden nur durch ein eher schwaches Megaphon verstärkt.
Zwei Stunden lang forderten die DemonstrantInnen, daß die Polizei ihnen den Weg freigibt - vergeblich. So blieb
letztlich nur der Rückzug und die Parole: Wir kommen wieder, und zwar nach Köln zu Demonstration und
Gegengipfel!
Redebeiträge und Erklärungen zur Gegendemonstration in Davos können abgerufen werden unter: http://www.reitschule.ch/reitschule/infoladen/Davos/. Infor
mationen und Kontakt unter antiwto@hotmail.com und Fax 031-3027874.