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Wer kennt sie nicht die Situationen, in denen einem die ganze Welt auf den Geist geht. Wo der
einzige Ausweg darin besteht, sich schmollend in einen Sessel zurückzuziehen. Musik gehört dann sicherlich mit
zur richtigen Therapie dieses Zustands. Rock oder Techno macht einen dann höchstens noch aggressiv, Dub oder Jazz
sind zu kompliziert. Irgendwann sind einem die alten Leonard-Cohen-Platten auch über und Bob Dylan, na ja... Es soll ja
sogar Leute geben die bei einem solchen Zustand ihre alten Platten von "Ton Steine Scherben" hervorkramen und
die Vergangenheit beschwören.
Seit 25 Jahren gibt es die Amsterdamer Band Nits. 1987 landeten die Nits mit "In the Dutch Mountains" auch
international einen Hit. In den Niederlanden wurde ihre Live-Doppel-CD 1989 so häufig verkauft, daß sie mit Platin
ausgezeichnet wurde. Ihre Lieder sind gekennzeichnet durch einen feinen Humor und hintergründige Texte. In der
Bundesrepublik sind sie jedoch lange nicht so populär wie in ihrer Heimat. Wenn Niederländer englische Texte
etwa über einen Brief an den Freund in der Schweiz, der heiratet, singen, wer hört sich das schon hierzulande an?
Dennoch sollten sich diejenigen, die sich an den oben genannten alten Dylan- und Cohen-Scheiben übergehört
haben, es mal mit der letzten Platte von Rob Kloet, Henk Hofstede und ihren Gästen, Alankomaat, versuchen.
Insgesamt kommt ihre Musik leicht herüber, sie ist gegenüber ihren Produktionen aus den 80er Jahren
differenzierter geworden. Der Weggang des Keyborders Robert Jan Stips 1996 war für viele der Hinweis, daß die
Band am Ende gewesen sei. Doch mit Gastmusikern und Gastmusikerinnen machten die beiden weiter und leiten so ein neues
Kapitel in der Geschichte der Band ein. Sie bauen jetzt auch mal ein Sample ein, so in "Sister Rosa" ein Sample
finnischer Volksmusik. Dabei überfrachten sie die Lieder jedoch nicht, sondern geben der Musik eher einen spielerischen
Charakter. Die Texte arbeiten mit Bildern, oft düster, aber immer mit der Forderung fest auf den eigenen
Füßen zu stehen. In "Rainfall again" redet die Erzählerin über ihre unglückliche
Kindheit, nicht ohne zu bemerken: "Versteh mich nicht falsch, ich liebe mein Leben und mein Herz ist stark." Henk
Hofstede, der die meisten der Lieder der Nits schreibt, bezeichnet ihre Musik als die Popversion der Lieder von Brecht und
Weill.
In "Robinson" erzählen sie die Geschichte von Benjamin aus der Reifeprüfung weiter, der
dreißig Jahre später merkt, daß er Mutter Robinson immer noch liebt. Er rafft sich auf, die jetzt
82jährige zu besuchen. Für dieses Lied haben sie aus dem Film Teile alter Paul-Simon-Lieder einfließen
lassen. Ihre Anfrage, ob sie auch Textpassagen übernehmen dürften, beschied Paul Simon allerdings negativ.
Ansonsten erinnert die Platte in ihrer Stimmung jedoch häufig an die Helsinki-Sequenz des Films Night on Earth. Die
Frauenstimmen der Studioaufnahmen steuerten auch auf den meisten Liedern Finninen bei.
Neben dem Bezug zu Finnland gibt es noch den zur Schweiz. So ergibt sich eine eher ungewöhnliche europäische
Konstellation. Auf früheren Platten waren es Bezüge zu Frankreich oder Spanien, die in die Musik einflossen.
Doch da viele der Nits-Lieder mit Regen, Bergen und dem Verhältnis von Licht und Schatten zu tun hatten, sind die
neueren Bezüge jene, die der Musik eher entsprechen. Auf jeden Fall eignen sie sich für den eingangs
beschriebenen Rückzug in die Schmollecke.
DJ Tommy