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SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.04 vom 18.02.1999, Seite 2

Nach der Hessenwahl

Aus der Traum vom Doppelpaß

von MARIKA VARGA

In der Regel wirkt sich ein Regierungswechsel nicht direkt auf das persönliche Leben aus. Als sog. "Normalmensch" in der BRD lebt man meist weiter wie bisher. Zwar ist sogar ein leichter Politikwechsel nach dem Regierungswechsel im September an einigen Punkten sichtbar, doch im großen und ganzen herrscht Kontinuität, und die "rot"- grüne Regierung ist auch noch stolz darauf.
  Trotzdem war da ein Funke Hoffnung. Das Staatsangehörigkeitsrecht sollte geändert werden. Endlich. Trotz berechtigter Kritik am Gesetzentwurf der Bundesregierung haben wir auf Erleichterungen für unser Leben hier in Deutschland gehofft, besonders durch die Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit. Denn mein Mann ist Iraner. Und die haben in der Welt keinen besonders guten Ruf. Kein Land ist scharf darauf, sie einreisen zu lassen. Da hilft auch die Ehe mit einer Deutschen und die unbefristete Aufenthaltserlaubnis für die BRD nur wenig.
  Dabei ermöglicht uns das Schengener Abkommen wenigstens, in die Unterzeichnerländer zu fahren, ohne jedesmal ein Visum beantragen zu müssen. Wenn ich aber meine Verwandtschaft in Ungarn besuchen will, muß ich meinen Mann zu Hause lassen - ein Visum für Österreich und für Ungarn ist zu aufwendig und zu teuer. Und als wir im Herbst für unsere Reise in den Iran einen preisgünstigen Flug mit British Airways nutzen wollten, brauchte mein Mann für die drei Stunden Wartezeit auf dem Londoner Flughafen ein Transitvisum.
  Wir haben uns also gefreut auf das neue Gesetz. Denn selbst wenn er es wollte, er kann seine iranische Staatsangehörigkeit gar nicht aufgeben. Der Iran entläßt seine Leute nicht aus der Staatsbürgerschaft. Die einzige Chance auf einen deutschen Paß ist für Iraner also die Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit durch die deutsche Regierung. In meinem Fall hat sie das auch anstandslos getan. Ich wurde durch die Heirat Iranerin und habe mir den zweiten Paß ausstellen lassen, um die erwähnte Reise unternehmen zu können.
  Als die CDU dann mit ihrer Hetzkampagne anfing, dachten wir noch ganz optimistisch, diese würde in einer Blamage für die CDU enden. Denn die Kampagne hat einerseits eine breit aufklärende Debatte in der Öffentlichkeit und andererseits Kritik im Lager der CDU ausgelöst. Aber das Volk hat doch gegen uns entschieden. Jetzt wird es wieder einen Kompromiß geben.
  Kompromisse im Ausländerrecht gehen für die "Ausländer" meist schlecht aus. Und die SPD bewegt sich dabei auch immer mehr auf die CDU zu als umgekehrt - siehe Asylkompromiß. Erschreckend ist, daß sie dies auch tut, wenn sie an der Regierung ist. Und dabei hatte ich sie diesmal in meiner Naivität sogar gewählt!
 


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