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SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.04 vom 18.02.1999, Seite 4

Dresden:

Nazis mahnen für "deutsches Hiroshima"

Der heutige Abend in Dresden erinnert an düstere Zeiten. Republikaner, Junge Landsmannschaft Ostpreußen (JLO), der Nationale Widerstand Oberes Elbtal, Burschenschaften, DVU-Ortsverband Dresden und NPD-Kreisverband Sächsische Schweiz - etwa 200 Nazis versammeln sich vor der Dresdner Frauenkirche.
  Stiefelnazis und Stammtischrechte befestigen gemeinsam zahlreiche, mit deutschnationalen Farben geschmückte Kränze an den Bauzäunen und zünden Kerzen an. Fast keiner der Bürger, die sonst zu den alljährlich stattfindenden Gottesdiensten, den klassischen Konzerten und heute zum Trauerritual für die Opfer des 13.Februar 1945 zur Frauenkirche eilen, stört sich an den Nazis. Gemeinsam mit den Republikanern, Dorfkameradschaften und NPD-Kadern mahnen sie der Opfer der britischen Bombenangriffe.
  Auch als Flugblätter der JLO verteilt werden, regt sich keiner der "Trauernden". Jedes Jahr die gleichen Lügenblätter, die von "250.000 Toten", "Völkermord aus der Luft" oder "größter Vernichtungsschlag aller Zeiten" künden.
  Auf die Frage, was sie von diesem Auftritt halten, antworten die meisten vorbeigehenden Bürger gleichgültig, verharmlosend, ohnmächtig und manchmal zustimmend. Nur Wenige sprechen leise von der braunen Masse, die sich bedrohend in die Normalität einniste. Es sind zu viele, um sich gegen sie zu wehren. Die Polizei ist mit wenigen Beamten vor Ort, wohl wissend, daß es keine Auseinandersetzungen geben wird.
  Seit dem medienwirksamen Auftritt der CDU-Größen zum 50.Jahrestag der "Trauerfeierlichkeiten", unter ihnen Bundespräsident Roman Herzog, werden es von Jahr zu Jahr mehr Nazis, die den 13.Februar als "Gedenktag für die Deutschen" entdecken und zum "offiziellen Gedenktag für die Bundesrepublik" machen wollen, um in Dresden "jener Millionen von Deutschen" zu gedenken, "für die das Kriegsende keine Befreiung war". Doch anstatt sich von den braunen Horden und ihren hohlen Parolen zu distanzieren und ihre Propaganda zu verhindern, verharmlosen die Bürger und bilden eine Reihe mit den Rechten. Anstatt den Nazis die Kränze zu zertreten und den 13.Februar als Nahnung für den Frieden zu nutzen, verkommt das Trauern um Dresden zum Ritual, daß immer mehr die Grenzen zwischen Opfern und Tätern verwischt. "Das deutsche Volk war ahnungslos", skandieren die jungen Landsmannen und verteidigen schamlos den zweiten Weltkrieg: "Besonders gering ist das Wissen um die historische Situation und die vielen Gründe, die in einen Krieg führten, in dem Millionen von Deutschen bis zum äußersten gekämpft haben". Wenn diese Art der Darstellung des "13.Februar 1945" Mehrheiten findet, braucht sich niemand über den Einzug der Rechtsextremen in die Parlamente zu wundern.
  Tom Kucharz
 


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