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SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.04 vom 18.02.1999, Seite 11

Protesttag am 9.Februar

Erwerbslose vorne dran

In etwa 100 Städten zogen am 9.Februar Erwerbsloseninitiativen ihre eigene Bilanz der bisherigen Politik der Bonner Koalition: Ein Politikwechsel zugunsten Erwerbsloser sei bisher ausgeblieben, erklärte die Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen in Bielefeld, die zu dem Protest aufgerufen hatte.
  In Bonn besetzten VertreterInnen von Erwerbsloseninitiativen aus dem Bundesgebiet das Dach der SPD-Parteizentrale und machten mit einem überdimensionalen Transparent auf ihre zentralen Forderungen aufmerksam. Dem Bundesgeschäftsführer der SPD, Otmar Schreiner, übergaben sie eine Mängelliste und einen Katalog mit Sofortforderungen: Keine Anrechnung des Kindergelds auf die Sozialhilfe; Rücknahme der jährlichen Absenkung der Arbeitslosenhilfe um 3 Prozent; Abschaffung der Meldepflicht und des Bewerbungszwangs. Sie verlangten ein Gespräch mit Arbeitsminister Riester. Andernorts zogen sie wieder vor die Landesarbeitsämter.
  Anders als in den meisten Gewerkschaftsvorständen wird das "Bündnis für Arbeit" von Erwerbslosen eher mit Argwohn betrachtet. In einer Pressemeldung vom 8.Dezember hatte die Koordinierungsstelle erklärt: "Arbeitslose sehen keinen Grund zum Jubeln. Die Erweiterung des Bündnisses für Arbeit und Ausbildung auf ein ,Bündnis für Wettbewerbsfähigkeit‘ läßt bei der Koordinierungsstelle eher die Alarmglocken schrillen. Sie fürchtet, daß es wieder einmal vornehmlich um bessere Angebotsbedingungen für das Kapital geht, auf Kosten der Arbeitnehmereinkommen und verbunden mit Einschnitten in das soziale Netz. Es müsse vor allem ein Bündnis für weniger Arbeit bei Sicherung der Einkommen und Renten vereinbart werden."
  "Arbeit fairteilen - 30 Stunden sind genug - Einkommen zum Auskommen!" lautete auch das Motto, unter das die Koordinierungsstelle die Aktionen vom 9.Februar gestellt hatte.
  Dabei bläst die Koordinierungsstelle nicht in das Horn derer, die - wie es derzeit in der Tarifrunde wieder geschieht - Beschäftigte wie Erwerbslose mit dem Argument erpressen: entweder Arbeitsplätze oder höhere Löhne. "Nach 16 Jahren realem Einkommensverlust sind zur Stärkung der Binnennachfrage und zum Abbau der Erwerbslosigkeit Arbeitszeitverkürzung und reale Lohnerhöhungen notwendig."
  Aufgrund der steigenden Produktivität werde ein immer größeres Sozialprodukt in immer weniger Arbeitsstunden erwirtschaftet. Es sei ein Irrglaube, diesen Trend durch die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit auf Kosten anderer Länder ausgleichen zu können.
  Die Koordinierungsstelle schlägt regionale Initiativen zum Abbau von Überstunden vor und fordert die Arbeitslosengruppen auf, Kontakte zu Betrieben ihrer Branche aufzunehmen. "Wer die arbeitslosen Menschen vor sich sieht, die eingestellt werden könnten, ist eher bereit, Überstunden abzubauen."
  Den DemonstrantInnen in Bonn wurde ein Gesprächstermin mit Walter Riester für den 2.März in Aussicht gestellt.
  Angela Klein
 


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