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In etwa 100 Städten zogen am 9.Februar
Erwerbsloseninitiativen ihre eigene Bilanz der bisherigen Politik der Bonner Koalition:
Ein Politikwechsel zugunsten Erwerbsloser sei bisher ausgeblieben, erklärte die
Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen in Bielefeld, die zu dem
Protest aufgerufen hatte.
In Bonn besetzten VertreterInnen von Erwerbsloseninitiativen aus dem Bundesgebiet
das Dach der SPD-Parteizentrale und machten mit einem überdimensionalen
Transparent auf ihre zentralen Forderungen aufmerksam. Dem
Bundesgeschäftsführer der SPD, Otmar Schreiner, übergaben sie
eine Mängelliste und einen Katalog mit Sofortforderungen: Keine Anrechnung
des Kindergelds auf die Sozialhilfe; Rücknahme der jährlichen Absenkung
der Arbeitslosenhilfe um 3 Prozent; Abschaffung der Meldepflicht und des
Bewerbungszwangs. Sie verlangten ein Gespräch mit Arbeitsminister Riester.
Andernorts zogen sie wieder vor die Landesarbeitsämter.
Anders als in den meisten Gewerkschaftsvorständen wird das
"Bündnis für Arbeit" von Erwerbslosen eher mit Argwohn
betrachtet. In einer Pressemeldung vom 8.Dezember hatte die Koordinierungsstelle
erklärt: "Arbeitslose sehen keinen Grund zum Jubeln. Die Erweiterung des
Bündnisses für Arbeit und Ausbildung auf ein ,Bündnis für
Wettbewerbsfähigkeit läßt bei der Koordinierungsstelle eher
die Alarmglocken schrillen. Sie fürchtet, daß es wieder einmal
vornehmlich um bessere Angebotsbedingungen für das Kapital geht, auf Kosten
der Arbeitnehmereinkommen und verbunden mit Einschnitten in das soziale Netz. Es
müsse vor allem ein Bündnis für weniger Arbeit bei Sicherung der
Einkommen und Renten vereinbart werden."
"Arbeit fairteilen - 30 Stunden sind genug - Einkommen zum
Auskommen!" lautete auch das Motto, unter das die Koordinierungsstelle die
Aktionen vom 9.Februar gestellt hatte.
Dabei bläst die Koordinierungsstelle nicht in das Horn derer, die - wie es derzeit
in der Tarifrunde wieder geschieht - Beschäftigte wie Erwerbslose mit dem
Argument erpressen: entweder Arbeitsplätze oder höhere Löhne.
"Nach 16 Jahren realem Einkommensverlust sind zur Stärkung der
Binnennachfrage und zum Abbau der Erwerbslosigkeit Arbeitszeitverkürzung
und reale Lohnerhöhungen notwendig."
Aufgrund der steigenden Produktivität werde ein immer größeres
Sozialprodukt in immer weniger Arbeitsstunden erwirtschaftet. Es sei ein Irrglaube,
diesen Trend durch die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit auf Kosten
anderer Länder ausgleichen zu können.
Die Koordinierungsstelle schlägt regionale Initiativen zum Abbau von
Überstunden vor und fordert die Arbeitslosengruppen auf, Kontakte zu Betrieben
ihrer Branche aufzunehmen. "Wer die arbeitslosen Menschen vor sich sieht, die
eingestellt werden könnten, ist eher bereit, Überstunden
abzubauen."
Den DemonstrantInnen in Bonn wurde ein Gesprächstermin mit Walter Riester
für den 2.März in Aussicht gestellt.
Angela Klein