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Mit einem so schnellen Tarifabschluß und dann noch in dieser Höhe hatten wohl nur wenige Optimisten
gerechnet. Die markigen Sprüche von Innenminister Schily, durchaus auch einen Streik in Kauf nehmen zu wollen, da die öffentlichen Kassen
leer seien, erinnerten sehr an seinen Vorgänger Kanther und ließen zumindest umfangreichere Warnstreikaktionen für ein halbwegs
akzeptables Ergebnis als nötig erachten.
Es drängt sich der Eindruck auf, daß mehr als das übliche Tarifritual in diesem Jahr nicht erwünscht war. Die IG Metall setzte mit
ihrer monatlichen Erhöhung um 3,2 Prozent die Marge, an der sich auch - wie üblich mit Abstrichen für den öffentlichen Dienst
wegen der vermeintlichen Arbeitssicherheit - die Gewerkschaften ÖTV und DAG orientierten.
Obwohl die meisten Mitglieder eher mit einer zwei als mit einer drei vor dem Komma gerechnet haben, hätte trotzdem viel weniger nicht als Ergebnis
herauskommen dürfen.
Immerhin sind die Erhöhung der Löhne und Gehälter ab dem 1.April 1999 wie auch die 300 DM Einmalzahlung (aber nur 260 DM in den
neuen Bundesländern) für die etwa 3,2 Millionen Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst mit einer
fünfzehnmonatigen Laufzeit "bezahlt" worden. Außerdem wurde eine Vereinbarung getroffen, bis Juli 1999 die Frage der
Arbeitszeiten neu zu regeln. Zu diesem Thema könnte dann noch so mancher Wunsch der Arbeitgeber erfüllt werden, wie beispielsweise die
reduzierte Bezahlung der Überstunden.
Auch das weitere Einfrieren des Weihnachtsgeldes auf den Stand von 1993 dürfte den abhängig Beschäftigten wenig gefallen. Neben der
Forderung nach einer Erhöhung der Löhne und Gehälter um 5,5 Prozent war die Wiederanhebung der jährlichen Zuwendung auf
100 Prozent ein wichtiger Punkt für die Gewerkschaftsmitglieder.
Trotz alledem, die Tarifkommissionen der ÖTV und der DAG haben dem Verhandlungsergebnis mit überwältigender Mehrheit den Segen
gegeben und werden mit Sicherheit den Beifall des überwiegenden Teils der Basis bekommen. Den meisten geht es darum, monatlich etwas mehr in
den Geldbörsen zu haben. Angesichts der Lohn- und Gehaltsentwicklung der letzten Jahre ist das gerade im öffentlichen Dienst ein durchaus
nachvollziehbarer Wunsch.
Vor diesem Hintergrund werden die von den öffentlichen Arbeitgebern durchgesetzten Kompensationen, von denen diejenigen hinsichtlich der
Arbeitszeiten erst in der zweiten Hälfte des Jahres wirksam werden, vorerst einmal nicht wahrgenommen.
Diesbezüglich könnte es in den nächsten Monaten ein böses Erwachen geben.