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SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.05 vom 04.03.1999, Seite 6

Rumänien

Bergleute ausgebremst

Die Bergleute aus dem Jiutal in Rumänien kommen nicht zur Ruhe. Offensichtlich ist das Kompromißergebnis vom Januar nicht tragfähig genug. Und diesmal war der rumänische Staat scheinbar besser vorbereitet. Der radikale Führer Miron Cozma wurde wegen der Unruhen 1991 zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt und aus dem wiederaufflammenden Protest der Kumpel heraus verhaftet. Die Polizei verhinderte einen erneuten Marsch nach Bukarest.
  Die westliche Presse klatschte Beifall, endlich zeige sich der Staat gerüstet. Die Reformen müßten "weitergehen", damit Rumänien für Europa "reif" wird. Cozma wird vorgeschoben, um die Bewegung in die Ecke zu drücken.
  Dem unbefangenen Fernsehzuschauer stellt sich der gewaltsame Protest der rumänischen Kumpel vielleicht in eine Reihe mit ähnlichen Bildern vor Jahren aus Frankreich und Spanien. Auch die rumänischen Bergleute haben eine kämpferische Tradition. In Streiks des Jahres 1977 gegen die Heraufsetzung des Rentenalters zwangen sie Ceausescu zum Einlenken; die Kohle wurde gebraucht, unter anderem zur Zahlung von Auslandsschulden. Aber die Aktionen der späteren Jahre standen unter anderen Vorzeichen, und daß es 1991 in Bukarest zu Toten und zur Verwüstung von Büros politischer Parteien kam, hat die Bewegung der Bergleute für rechtsextreme Putschisten interessant gemacht. Eine soziale Arbeiterbewegung muß sich davon absetzen!
  Etwas anderes ist, auf die sozialen Ursachen der Aktionen der Bergleute einzugehen. Nach dem Fall der ehemaligen Regimes ist die osteuropäische Wirtschaft in starke Abhängigkeit von Krediten aus dem Westen geraten. Begehrliche Augen werden auf die Rohstoffe wie Erdölvorkommen rund ums Schwarze Meer geworfen.
  Wenn die Leute dort heute das Wort "Reform" hören, wissen sie, daß sich damit eine neue Elite die Macht und die Wirtschaft sichern will. Daß die zum Teil mit den alten Eliten identisch sind, ist kein Zufall. Und daß die Weltbank und die westeuropäischen Kreditgeber die Bedingungen diktieren, unter denen produziert wird, ist eine Folge dieser Reformen.
  Der "Übergang zur Marktwirtschaft" erfordert die Stillegung "unrentabler" Betriebe. So ist nun die Braunkohle aus dem Jiutal teurer als Importkohle in Bukarest, es gibt Überproduktion und die Gruben arbeiten mit Verlusten. Der IWF zwingt der rumänischen Regierung einen neoliberalen Wirtschaftskurs auf und fordert den Abbau von Defiziten. Die Folge sind zum Beispiel im Jiutal Arbeitslosenzahlen von 25%.
  Einige Kumpel, die sich auf Umschulungen oder Entlassungen gegen Abfindung eingelassen haben, sind nach wie vor arbeitslos, ihre Reserven sind aufgebraucht, weitere Zechenstillegungen nicht zu verkraften.
  Zur Zeit Ceausescus war die Arbeit der Bergleute begehrt. Sie sicherte ihnen bessere Bezahlung, aber natürlich überhaupt keine "Macht". Von Privilegien der Kumpel zu sprechen ist völlig daneben: Privilegien und Reichtum besaßen die Machthaber der rumänischen Partei, die Familie Ceausescus und ihre Anhänger. Den Kumpels ging es - in einem der ärmsten Länder - nur etwas besser als anderen Arbeitern, vor allem denen in den Dörfern auf dem Land, wo sie herkamen.
  Kein Wunder, daß sie die Zeit "sicherer Arbeitsplätze" von vorher mit den "Reformen" danach vergleichen. Kein Wunder, daß Parolen der heutigen Nationalisten verfangen, wo es keine gesellschaftspolitische Alternative gibt.
  Während des Januar-Streiks wandte sich der rumänische Außenminister in der Frankfurter Rundschau an die Politiker Westeuropas, sie hätten Rumänien vergessen, und sähen nun das Ergebnis. Es müßte dort mehr investiert werden.
  Die EU berät, ob sie nicht Gelder zur Rücksiedelung der Kumpel aufs Land geben soll. Welch eine Perspektive in einem europäischen Staat, in dem 68 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben!
  Die Folge von mehr westlichem Einfluß, mehr Krediten wird eine noch stärkere Abwertung der rumänischen Arbeit sein, die sozialen Folgen würden verschärft. Das gäbe gerade rechten politischen Kräfte Auftrieb, denen die Kumpel in die Arme getrieben würden. Und die verheerende Balkanpolitik der EU fände ein neues Opfer.
 


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