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SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.05 vom 04.03.1999, Seite 12

Selbstbestimmung in Nato-Reservat?

Es gehört schon ein seltenes Talent dazu, sich immer wieder die Welt nach eigenem Gutdünken zurechtzudenken. Hoch die UCK! Nieder mit dem Imperialismus! Die antiimperialistische UCK muß allerdings noch erfunden werden. Das aber dürfte nicht schwierig sein. Man bräuchte in Paris doch nur ein sozialistisches Programm der albanischen Wirtshausguerilla - ihre Verbrechen begeht sie bevorzugt in Gaststätten - zu formulieren, dieses ins albanische zu übersetzen, dann zurück ins Französische und schon ist der Nachweis eines albanischen Stoßtrupps der Weltrevolution geliefert.
  Der Charakter einer nationalen Unabhängigkeitsbewegung wird von ihrem Verhältnis zum Imperialismus bestimmt. Jeder Versuch, der UCK einen emanzipatorischen Charakter anzudichten, hat deshalb des völligen Verlust an Realitätswahrnehmung zur Voraussetzung. Die UCK ist eine ethnoterroristische Organisation und sie ist die parasitärste aller Sezessionsbewegungen, die je zu den Waffen gegriffen hat. Sie kann ihren "Alles-oder-Nichts"-Standpunkt - nichts unter der staatlichen Unabhängigkeit - nur verfechten, weil das imperialistische Befriedungskomitee zur Aufhebung der Hoheitsrechte Jugoslawiens über sein Territorium entschlossen ist.
  Die kosovo-albanischen Ambitionen auf staatliche Unabhängigkeit ist im konkreten weltpolitischen Zusammenhang gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker Jugoslawiens (auch der Albaner) gerichtet. Die multinationale Verfaßtheit der BRJ und Serbiens ist eine zivilsatorische Errungenschaft, die nur um den Preeis der immperialistischen Unterwerfung aufgegeben werden kann.
  Keine der beiden Teilrepubliken der Föderation sind ethnisch definiert, sondern als Staat der Bürger Serbiens bzw. Montenegros. Kein auch noch so autonomes Kosovo kann deshalb ein albanisch definiertes sein. Auf die nationale Selbstbestimmung haben nicht nur die Kosovo-Albaner Anspruch, sondern auch alle nichtalbanischen Minderheiten dieser südserbischen Provinz. Diese zählen insgesamt 500.000 gegenüber 900.000 ethnischen Albanern. Und je kleiner die Minderheit, desto schutzbedürftiger. Der in Belgrad erarbeitete Vorschlag zur Selbstveerwaltung in Kosovo und Methohien sieeht deshalb auch die Einrichtung eines Zweikammersystems in einem künftigen Kosovo-Parlament vor.
  Damit ergäbe sich eine Volkskammer nach dem "One-man-one-vote"-Prinzip, während in eiinem Nationalitätenrat alle nationalen Gruppen unabhängig ihrer Größe gleich vertreten wären. Darin eine Fortsetzung der serbischen Unterdrückungspolitik bzw. eine Benachteiligung der Albaner zu sehen, können nur jene, die der ethnozentrischen Logik der Separatisten folgen.
  Die Logik eines albanischen (und nicht eines selbstverwalteten) Kosovos ist die Logik der ethnischen Säuberung. Auch eine innerjugoslavische Sezession - Austritt aus Serbien und Gründung einer dritten Republik - würde die aggressive Albanisierung weiter anheizen und die Separationsprozesse auf dem Balkan beschleunigen.
  Es gab und gibt keine nationale Unterdrückung der Albaner in Serbien. Die den Kosovaren in Tito-Albanien eingeräumte Autonomie verlieh ihnen alle Privilegien (nicht aber den Status) einer Republik. Eine staatsrechtlich brisante Konstruktion, da das Kosovo damit zu einem Subjekt der Föderation wurde, obwohl es formell bei Serbien verblieb.
  Milosevic hat die De-facto-Spaltung Serbiens rückgängig gemacht. Die den Kosovo-Albanern zugestandenen Minderheitenrechte aber brauchten einen internationalen Vergleich auch weiterhin nicht zu scheuen. Daß entsprechend der separatistischen Logik der illegalen Republik Kosova diese Rechte, etwa durch die Beteiligung an Wahlen, nicht wahrgenommen wurden, steht auf einem anderen Blatt. Die Erfahrung hat aber gezeigt, daß die Einbindung der Kosovo-Bevölkerung in die politischen Prozesse ohne institutionelle Veränderungen in Richtung Selbstverwaltung nicht möglich ist.
  Eine gerechte Regelung würde das eigentliche Kosovo-Problem wieder in den Vordergrund rücken: die wirtschaftliche Rückständigkeit des Gebiets, die auch in Tito- Jugoslawien nie überwunden wurde, weil es keine Automatik zwischen nationaler und sozialer Emanzipation gibt. Darin lag der Hauptgrund des Scheiterns des Selbstverwaltungs- Sozialismus. Die Ethnisierung eine solchen Konflikts ist nicht die Lösung, sondern die Zuspitzung des Problems. Auch wird sich die albanische nicht im Nato-Reservat realisieren lassen.
  Werner Pirker
 


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