Sozialistische Zeitung

SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.06 vom 18.03.1999, Seite 2

Staatsangehörigkeit

Polarisierung bleibt

von GERHARD KLAS

Der neue Gesetzentwurf zum Staatsbürgerschaftsrecht ist einer Kungelrunde zwischen SPD- und FDP- Spitzenpolitikern entsprungen. Unter dem Druck der CDU-Kampagne gegen "Doppelbürger" ist die SPD zurückgewichen, und die Grünen haben nicht das Rückgrat, dagegen anzugehen. Hier in Deutschland lebende Erwachsene werden nach dem Wortlaut des neuen Entwurfs im Regelfall nun doch nicht das Recht haben, nach der Erwerbung der deutschen Staatsangehörigkeit eine andere Staatsangehörigkeit zu behalten. Mit 18 sollen sie sich für die deutsche oder für die andere Staatsangehörigkeit entscheiden und mit 23 nachweisen, daß letztere abgelegt ist.
  "Rot"-Grün hat es versäumt, für den eigenen Vorschlag zu mobilisieren. Die Regierungsparteien haben der CDU die Straße überlassen. Doch jetzt wird die zweite Runde eingeläutet. Der ehemalige "Zukunfts"minister und heutige NRW-CDU-Vorsitzende Jürgen Rüttgers hat eine Verfassungsklage angekündigt. Auch die geschrumpfte Reformleiche wird von rechts zum Zankapfel gemacht.
  Vorwand dafür ist, daß der neue Entwurf keine Sanktionen vorsieht, falls jemand seine alte Staatsbürgerschaft einfach behält. In Wirklichkeit geht es darum, daß auch der neue Entwurf das alte Blutrecht wenigstens an einem Punkt durch ein menschenwürdigeres Prinzip ersetzt: In Deutschland geborene Kinder "ausländischer" Eltern sollen künftig automatisch neben der anderen auch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Trotz aller Einschränkungen - z.B. daß ein Elternteil mindestens acht Jahre aufenthaltsberechtigt oder mindestens seit drei Jahren unbefristet aufenthaltsberechtigt sein muß - ist das ein rotes Tuch für die braune und die schwarze Reaktion.
  Darum bleibt die gesellschaftliche Debatte polarisiert: dafür oder dagegen. Das ist erfahrbar, in der U-Bahn, am Arbeitsplatz, bei Gesprächen mit Nachbarn und Bekannten. Es bringt nichts, dieser Polarisierung auszuweichen, auch nicht wegen der eklatanten Mängel des neuen Entwurfs. Eigentlich ist es längst Zeit,dafür auf die Straße zu gehen, aber auch mit weitergehenden Forderungen wie Bleiberecht für alle.
 


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