Sozialistische Zeitung |
Der neue Gesetzentwurf zum Staatsbürgerschaftsrecht ist einer Kungelrunde zwischen SPD- und FDP-
Spitzenpolitikern entsprungen. Unter dem Druck der CDU-Kampagne gegen "Doppelbürger" ist die SPD
zurückgewichen, und die Grünen haben nicht das Rückgrat, dagegen anzugehen. Hier in Deutschland lebende Erwachsene
werden nach dem Wortlaut des neuen Entwurfs im Regelfall nun doch nicht das Recht haben, nach der Erwerbung der deutschen
Staatsangehörigkeit eine andere Staatsangehörigkeit zu behalten. Mit 18 sollen sie sich für die deutsche oder für die
andere Staatsangehörigkeit entscheiden und mit 23 nachweisen, daß letztere abgelegt ist.
"Rot"-Grün hat es versäumt, für den eigenen Vorschlag zu mobilisieren. Die Regierungsparteien haben der CDU
die Straße überlassen. Doch jetzt wird die zweite Runde eingeläutet. Der ehemalige "Zukunfts"minister und
heutige NRW-CDU-Vorsitzende Jürgen Rüttgers hat eine Verfassungsklage angekündigt. Auch die geschrumpfte
Reformleiche wird von rechts zum Zankapfel gemacht.
Vorwand dafür ist, daß der neue Entwurf keine Sanktionen vorsieht, falls jemand seine alte Staatsbürgerschaft einfach
behält. In Wirklichkeit geht es darum, daß auch der neue Entwurf das alte Blutrecht wenigstens an einem Punkt durch ein
menschenwürdigeres Prinzip ersetzt: In Deutschland geborene Kinder "ausländischer" Eltern sollen künftig
automatisch neben der anderen auch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Trotz aller Einschränkungen - z.B. daß ein
Elternteil mindestens acht Jahre aufenthaltsberechtigt oder mindestens seit drei Jahren unbefristet aufenthaltsberechtigt sein muß - ist das
ein rotes Tuch für die braune und die schwarze Reaktion.
Darum bleibt die gesellschaftliche Debatte polarisiert: dafür oder dagegen. Das ist erfahrbar, in der U-Bahn, am Arbeitsplatz, bei
Gesprächen mit Nachbarn und Bekannten. Es bringt nichts, dieser Polarisierung auszuweichen, auch nicht wegen der eklatanten
Mängel des neuen Entwurfs. Eigentlich ist es längst Zeit,dafür auf die Straße zu gehen, aber auch mit weitergehenden
Forderungen wie Bleiberecht für alle.