Sozialistische Zeitung

SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.06 vom 18.03.1999, Seite 4

Agenda 2000

taugt nicht zur Schwarzweißmalerei

Sparkursdebatten, Nachtsitzungen der EU-Agrarminister in Brüssel, Bauernverbandsproteste. Gewohnte Medienbilder in diesen Tagen über das Thema Landwirtschaft, könnte man meinen. Und doch ist die heißdiskutierte Reform der europäischen Agrarpolitik als Teil der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Agenda 2000 nicht einfach in ein Schwarzweißpaket zu packen: Da die Notwendigkeit einer politischen und finanziellen Reform angesichts der europäischen Erweiterung um die mittel- und osteuropäischen Staaten; und dort die wütenden Proteste der Bauern, die um ihre Zukunft fürchten.
  Der Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV) sprach im Zusammenhang mit der Agenda 2000 gar vom "Todesstoß" für die Landwirtschaft. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hat dagegen aufgefordert, den EU-Agrarreformvorschlag differenziert zu betrachten und offensiv zu nutzen.
  Scharfe Kritik ist angesagt, wenn die EU-Agrarpolitik nach wie vor auf den Weltmarkt ausgerichtet werden soll. Der Agenda-Vorschlag sieht deshalb erhebliche Preissenkungen bei Getreide, Milch und Rindfleisch vor, die nur zum Teil durch Ausgleichszahlungen abgemildert werden. Die Bauern sollen im Rausch der Globalisierer billigste Rohstofflieferanten sein. Dagegen wäre eine Ausrichtung der europäischen Landwirtschaft auf den erweiterten europäischen Binnenmarkt und auf die regionalen Märkte ökonomisch und ökologisch sinnvoller. Wenn auch die EU-Kommission, Teile der Bundesregierung und der Bauernverbände mit dem Weltmarkt liebäugeln - die Debatte um die mittel- und langfristige Ausrichtung der Agrarpolitik ist zumindest angeschoben.
  Die AbL sagt, wer für den Weltmarkt produzieren möchte, der kann das tun, aber ohne Subventionen. Ganz anders der Bauernverband, der das Instrument der EU-Exportsubventionen zur Beseitigung von Überschüssen immer noch nutzen will. In Zeiten von 18 Millionen Arbeitslosen in der EU erscheint es gesellschaftlich nicht haltbar, daß die Hälfte des EU-Haushalts für die Landwirtschaft ausgegeben wird. Davon haben Lagerhalter, Exporteure, Kühlhausbesitzer, Transportunternehmer und Agrargroßbetriebe am meisten profitiert - die große Masse der Bauern waren die Verlierer. 80 Prozent der EU-Gelder gehen an 20 Prozent der Betriebe, so der EU-Rechnungshof.
  Wir haben deshalb eine sozialökologische Umorientierung der EU-Agrarpolitik gefordert und Arbeit und Umwelt in den Mittelpunkt unseres Reformvorschlags* gestellt. Das heißt konkret: Abstaffelung der Ausgleichszahlungen und Festlegung von Arbeits- und Umweltkriterien, um Einkommen in der Landwirtschaft zu sichern. Dagegen läuft der Bauernverband Sturm. Er will keine Begrenzung bei den Prämien und schon gar keine Anbindung an sozialökologische Kriterien.
  Agrarminister Funke versucht als derzeitiger EU-Ratspräsident unter den EU-Agrarministern einen Kompromiß zu basteln und steht dabei unter dem Druck der EU-Regierungschefs, der die Ausgaben für die Landwirtschaft nicht erhöht sehen wollen. Die zu beschließende Reform wird lediglich eine Zwischenetappe sein.
  Spannend dürfte aber schon die Auseinandersetzung in den nächsten Wochen um die nationale Ausgestaltung der Agenda 2000 werden. Die AbL-Forderungen erhalten dabei Rückenwind aus Frankreich. Dort wird ein Orientierungsgesetz für die Landwirtschaft verabschiedet. Es sieht u.a. regionale Betriebsverträge in den Departements vor. Dabei können landwirtschaftliche Betriebe dann zusätzliche Gelder erhalten, wenn sie Arbeitsplätze schaffen und sich verstärkt an Agrarumweltprogrammen beteiligen.
  Diese Ausrichtung würde auch bei uns in der Öffentlichkeit auf ein positives Echo stoßen. Die Agenda 2000 bietet mit einer sog. 2.Säule der Agrarpolitik zur Stärkung der ländlichen Räume einige Möglichkeiten. Um diesen aus unserer Sicht positiven Ansatz wird es Streit geben. Die Bundesregierung und auch die Spitze des Bauernverbands werden sich dann nicht mehr hinter dem Buhmann der EU-Kommission verstecken können.
  Georg Janßen
 
  Georg Janßen ist Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL).
 
  *Den Vorschlag der AbL zur EU-Agrarreform sowie die Monatszeitung Bauernstimme ist erhältlich bei der AbL-Geschäftsstelle, Marienfelder Str.14, 33378 Rheda-Wiedenbrück, Fon (05242) 48476, Fax 47838.
 


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