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Jörg Haider mußte sein Kärntner Amt schon einmal zurückgeben, weil seine positiven
Aussagen über das Dritte Reich ("ordentliche Beschäftigungspolitik") großes Aufsehen erregt hatten. Seinen Ruf
als Rechtsextremer festigte er auch durch Sympathie für die Waffen-SS, u.a. in einer Rede im Kärntner Ferienort Krumpendorf, die
von einem deutschen TV-Sender publik gemacht wurde.
Wirklich stark machte sich Jörg Haider allerdings viel mehr mit sozialer Demagogie, verbunden mit einer offenen
Ausländerfeindlichkeit, die in breiten Teilen der österreichischen Bevölkerung, zumindest bei Teilen seiner Anhänger,
durchaus geteilt wird.
Die FPÖ hat ihre früher von altbackenen Rassismen getragenen Argumente gegen die AusländerInnen durchaus gewechselt;
jetzt konzentriert sich vor allem darauf, einen Zusammenhang zwischen Immigration und Arbeitslosigkeit, bzw. Immigration und
Kriminalität herzustellen. Mit seiner Forderung nach einem einheitlichen Steuersatz von 20 Prozent konnte Haider in der
Bevölkerung kaum Anklang finden; allerdings verhalf ihm diese Forderung zu Sympathie bei vielen Unternehmern.
Mit der Kärntner Wahl hat die FPÖ einen taktischen Schwenk vollzogen. Tönte Jörg Haider bis vor kurzem noch, er
werde 1999 Bundeskanzler werden, so verlegte er sich unter dem Eindruck einiger Skandale in den eigenen Reihen und gleichbleibender bis
schlechterer Umfrageergebnisse darauf, in Kärnten zum Landeshauptmann gewählt zu werden.
Dieses Vorgehen macht durchaus Sinn. Österreichweit hat sich die FPÖ bei einem Wählerpotential von etwa 20 Prozent
eingependelt. Die öffentlichen Auseinandersetzungen um den freiheitlichen Nationalratsabgeordneten Walter Maischberger, der wegen
Anstiftung zur Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt wurde, und um die Unterschlagung, die Flucht und die Verhaftung in Brasilien
des Finanzreferenten der niederösterreichischen FPÖ schadeten dem Image der "Saubermännerpartei"
gewaltig.
Haider konzentrierte sich auf also auf die Landtagswahlen in Kärnten, und die Regierungsparteien machten es ihm leicht. Parteiintern ist
man in der SPÖ froh darüber, daß Jörg Haider nun nicht zu den Nationalratswahlen - die allem Anschein nach auf den
13.Juni vorverlegt werden, zeitgleich mit den Wahlen zum Europaparlament - antreten kann.
Haiders Plan ging auf. 42,1 Prozent (+8,8 Prozentpunkte) für die FPÖ, 32,9 (-4,8) für die SPÖ und 20,7 (-3,1)
für die ÖVP. Was dieses Wahlergebnis in erster Linie ausdrückt, ist eine Umgruppierung im bürgerlichen Lager. Die
"Treue" zur christlich-konservativen ÖVP ist dahin, mit Ausländerfeindlichkeit, neoliberaler Wirtschaftspolitik und
erzreaktionärer Kulturpolitik (in den letzten Monaten führte die FPÖ einen aufsehenerregenden Kulturkampf gegen den
Kärntner Künstler Franz Kogel, und Haider versprach, als Landeshauptmann "Volks- statt Fäkalkunst" zu
fördern) gelang es Jörg Haider, die bürgerlichen Wähler in seinen Bann zu ziehen. Vor allem die Kärntner
Fremdenverkehrsunternehmer setzen zunehmend weniger auf die ÖVP, die es nicht schafft, die Interessen ihres gesamten Klientels unter
einen Hut zu bringen.
Vor allem die "modernen" Unternehmer leiden unter der Schwerfälligkeit und dem Konservativismus der ÖVP (der
ÖVP-Agrarkommissar in der EU, Franz Fischler, bezeichnete seine eigene Partei in diesem Zusammenhang nicht zu unrecht als
"Gewerbeschutzverein").
Allerdings ist das südliche Bundesland ein ganz besonderer Boden. Schon in den 70er Jahren machten die Kärntner Parteien von
sich reden, weil sie die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln, die nach dem Staatsvertrag von 1955 in gemischtsprachigen Gebieten
aufzustellen waren, ablehnten. Aus allen Kärntner Parteien kam Kritik am damaligen Bundeskanzler Kreisky. Rechtsradikale und
deutschnationale Gruppierungen, vor allem der Kärntner Heimatdienst (KHD), zerstörten die Ortstafeln und terrorisierten die
Kärntner Slowenen.
Slowenisch als Amtssprache wurde verhindert, das slowenische Schulwesen marginalisiert. Das alles geschah unter der Regentschaft des
sozialdemokratischen Landeshauptmanns Wagner, der übrigens einmal seine Rolle im Nationalsozialismus mit den Worten charakterisiert
hatte: "Ich war ein strammer Hitlerjunge!"
Bei den vergangenen Wahlen versuchte es die SPÖ mit dem Arzt Michael Ausserwinkler als Spitzenkandidaten. Ausserwinkler ist
anders: er ist kein Deutschnationaler, er gilt als "Liberaler", der einen Wahlkampf im Stil von Bundeskanzler Klima versuchte,
personalisiert, schick, glatt, immer freundlich. Allerdings machte ihm seine politische Distanz zu den Deutschnationalen auch innerparteilich
schwer zu schaffen.
Und als er sich vergangenes Jahr von den Ullrichsbergfeierlichkeiten distanzierte - ein internationales Treffen von Rechtsradikalen, Faschisten,
alten und neuen Nazis, das Kärntner Politiker aller Parteien gern durch Ehrenschutz und Anwesenheit aufwerten -, versagten ihm einige
reaktionäre Bürgermeister und Politiker seiner eigenen Partei die Unterstützung im Wahlkampf.
Das Ergebnis stand damit schon Wochen vor dem Wahlgang fest. Die Krise in der Kärntner SPÖ wurde verlängert; am Tag
nach der Wahl begann der Machtkampf zwischen "Liberalen" (Linken wäre zu viel gesagt) und Deutschnationalen. Bisher
haben sich die Deutschnationalen durchgesetzt. Neuer Kärntner SPÖ-Vorsitzender wurde der Villacher Bürgermeister
Helmut Manzenreiter, der im Wahlkampf schon mehr Sympathie für "die Bewegung" (sprich: FPÖ) gezeigt hatte, als
für den Spitzenkandidaten der eigenen Partei.
Jörg Haider nützt das reaktionäre Klima in Kärnten, um seine durch Skandale angeschlagene Partei zu stabilisieren.
Und er hat einen Parteiaufbau neuer Art im Sinn: Nicht mehr nur die Bundespolitik und sein großspuriges "Allein-
Oppositionsgehabe" sollen der FPÖ zu mehr Einfluß verhelfen, sondern eine - bisher vernachlässigte - Verankerung in
Gemeinden und Bundesländern.
Bisher zog allein der Name Jörg Haider; so gab es etwa in Niederösterreich bei Kommunalwahlen für die FPÖ in
einigen Gemeinden mehr Stimmen, als die FPÖ in der jeweiligen Kommune Gemeinderäte stellen konnte. Das soll anders werden:
FPÖ-Gemeinderäte, FPÖ-Bürgermeister und ein FPÖ-Landeshauptmann Haider sollen Österreich vom
Süden her "aufrollen" - die CSU-Taktik eines kleinen Franz-Josef Strauß.
An diesem Wahlsonntag gab es allerdings noch zwei weitere Landtagswahlen, im erzkonservativen ÖVP-Land Tirol und im ebenfalls
ÖVP-dominierten Bundesland Salzburg. Dort zeigten sich Erfolge der SPÖ, die in beiden Bundesländern schon vor einigen
Jahren begonnen hatte, neue Persönlichkeiten aufzubauen. Der als "links" geltende Tiroler SPÖ-Vorsitzende Prock
schaffte 21,8 Prozent der Stimmen (+2,0), die FPÖ 19,7 (+3,8), die ÖVP 47,2 (-0,1).
Allerdings gibt es noch kein amtliches Ergebnis, weil die Wahl von den Grünen und dem Liberalen Forum angezweifelt wurde. In der
Landeshauptstadt Innsbruck kam es zu "Unregelmäßigkeiten" bei der Auszählung der Stimmen, und da die
absolute Mehrheit der ÖVP mit nur 19 Stimmen abgesichert ist, wird es vermutlich zu einer Neuauszählung der Stimmen
kommen.
In Salzburg schaffte die SPÖ mit einem Plus von 5,3 Prozentpunkten insgesamt 32,4 Prozent, die FPÖ 19,6 (+0,1) und die
ÖVP 38,8 (+0,2).
Die Grünen und das Liberale Forum (LIF) verloren bei allen Landtagswahlen dramatisch und leben mit der Drohung, bei den kommenden
Nationalratswahlen nicht mehr im Parlament vertreten zu sein.
Beim Liberalen Forum wäre das kein großer Verlust. Zwar stellt das LIF im "Überbaubereich" achtenswerte
Forderungen auf (Trennung von Kirche und Staat, Abschaffung von Religionsunterricht als Pflichtfach, Homosexuellenehe etc.), die
wirtschaftspolitischen Forderungen orientieren sich aber am extremsten Neoliberalismus.
Die Grünen machten in den letzten Jahren die Wandlung zu einer "normalen" Parlamentspartei durch, die sich durch eine
Mischung aus Seriosität, Konservativismus in Wirtschaftsfragen und für breite Teile der Bevölkerung unverständliche
Debatten auszeichnet. Besonders die Salzburger und Tiroler Grünen sind seit Beginn eher zu den konservativen "Realos" zu
zählen.
In Kärnten versuchten die Grünen, gemeinsam mit dem LIF und der slowenischen "Einheitsliste/Enodna Lista" im
Bündnis "Demokratie 99" in den Landtag zu kommen, erreichten aber nur 3,9 Prozent der Stimmen. Die Zuspitzung um Haider
ließ sie nicht zum Zug kommen, dazu war noch ihr Wahlprogramm ein zu unklares Gemisch aus wichtigen demokratiepolitischen Anliegen
und wirtschaftspolitischen Vorschlägen des LIF (z.B.: "Mehr Unternehmerinnen für Kärnten!")
Die KPÖ spielte keine Rolle. Sie schafft es nur regional sehr eingeschränkt, gute Wahlerfolge zu erreichen, wo
Persönlichkeiten ihrer Partei, konsequent "reformistische" Arbeit, etwa in Mieterberatungen oder in Betrieben, leisten (dem
verdankte sich z.B. der sensationelle Einzug in den Grazer Gemeinderat im vergangenen Jahr).
Das bürgerliche Lager verteilt sich mittlerweile in Österreich auf ÖVP und FPÖ. Dahinter steht ein tatsächlicher
Rechtsruck; die Gefahr der Haider-FPÖ besteht darin, daß nun rund zwei Drittel der Österreicher für offen
konservative bis reaktionäre Politik ansprechbar sind, und daß es der FPÖ gelungen ist, nicht unwesentliche Teile der
Arbeiterklasse und der Arbeitslosen als Wähler für das reaktionäre Lager zu gewinnen.
Das wird ihr allerdings sowohl durch die Regierungspolitik der SPÖ als auch durch die Hilflosigkeit gegenüber dem
"Phänomen Haider" leicht gemacht. Wenn dann noch Verhältnisse wie in Kärnten dazukommen, ist es
verständlich, daß 35.000 Wähler von der SPÖ zur FPÖ wechselten.
Boris Jezek