Sozialistische Zeitung

SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.06 vom 18.03.1999, Seite 17

Antwort von unten

Auf der Linie der Herrschenden

Zunächst nicht von oben, vom Kanzleramt, sondern von unten, von "Sklaven in Aufruhr", bekam Heinz Weinhausen eine am 25.Februar 1999 verfaßte Antwort unter der Überschrift: "Ob Eigenarbeit oder Lohnarbeit - wir haben von der Plackerei die Schnauze voll! Offener Brief an das Institut für Theorie und Praxis der Neuen Arbeit (in Köln- Mülheim)". Sie wird, ebenso wie der offene Brief des "Instituts" an Kanzler Schröder, in der Kölner linken Presse veröffentlicht.
 
  Liebe Leute vom Institut,
  nach den ersten Zeilen Eures offenen Briefes an die Bundesregierung haben wir gedacht, es könne sich nur um eine Satire handeln. Eure Sorge um die Finanzierbarkeit unseres Sozialstaats, euer Vorschlag, in die Armut und Existenzangst des Mittelalters zurückzukehren - das alles wirkte zunächst wie eine polemische Satire auf das, was die sozialdemokratische Regierung angekündigt hat: mehr Druck auf Arbeitslose, jeden Job anzunehmen; Kürzungen bei der Sozialhilfe; Intensivierung der Arbeit; usw.
  Am Ende des Briefs wurde uns allerdings klar, daß es Euch bitterer Ernst ist. Ihr wendet Euch tatsächlich an die Regierung, macht Vorschläge für weitere Sparmaßnahmen, dient Euch als Vordenker weiterer Kürzungen und Arbeitsprogramme an - und wollt dafür am Schluß auch noch Geld haben.
  Euer Verhältnis zum Geld verstehen wie sowieso nicht: zuerst predigt ihr den Menschen, sie sollten "unabhängig vom Geldsektor" werden und malt "Eigenarbeit" und "Eigenversorgung" in den rosigsten Farben. Am Schluß haltet ihr aber wie alle anderen selber die Hand auf und bettelt um Staatsknete. Ist das dann keine Alimentation und trägt das nicht zum Ausufern des Staatshaushalts bei? Etwas mehr Bescheidenheit wäre doch angesagt. Überlegt nochmal, was ihr alles in Eigenarbeit selber machen könntet - das schafft dann Selbstvertrauen und Selbstzufriedenheit!
  Jetzt mal im Ernst: in welcher Welt lebt ihr eigentlich? Den Armen wird in diesem Land ständig Geld weggenommen, von dem sie leben müssen. Auch der Staat verweist sie dabei auf Eigenarbeit: z.B. gibt es nur noch gebrauchte Möbel. "Sie haben doch als Arbeitsloser viel Zeit, da können Sie die alten Sachen doch selber aufarbeiten", bekommen wir auf den Ämtern zu hören.
  Es ist ein verflixter Unterschied, ob ich als Hobby einen Schrebergarten betreibe oder Tomaten und Cannabis auf dem Balkon züchte, oder ob mein täglicheer Lebensunterhalt von dieser Arbeit abhängt. Dann muß ich arbeiten und kann nicht wegen einer Migräne oder eines Beinbruchs doch lieber zum Supermarkt gehen. Wer von dieser bejubelten "Eigenarbeit" leben müßte, weil er nicht genug Geld hat, für die oder den ist das eine Scheißmaloche wie jede andere. Weil es nämlich aus Zwang und nicht aus Spaß an der Freude geschieht. Ob ich dabei für Geld oder direkt für meine Lebensmittel arbeite, es ist allemal ein Zustand der Unfreiheit - gemäß der biblischen Weisung: "Im Schweiße deines Angesichtest sollst du dein Brot essen". Oder fragt mal die Hausfrauen: die machen den ganzen Tag "Eigenarbeit" ganz unabhängig vom Geldsektor! Wie toll die das finden, könnt ihr an der Scheidungsquote ablesen.
  Bis in die sprachlichen Formulierungen hinein liegt ihr voll auf der Linie der herrschenden Parteien, die uns "Arbeit, Arbeit, Arbeit" predigen. Ihr unterstützt das mit eurer alternativen Arbeitsmoral: "Eigenes Tun schafft Selbstvertrauen und Selbstzufriedenheit." Mit solcheen Moralpredigten über den hohen Wert der menschlichen Schaffenskraft werden wir von der Schule an auf diese Arbeitsgesellschaft abgerichtet. Oder die Art, wie ihr das bißchen Geld, was uns der Staat zubilligt kennzeichnet: "Alimentation" und "ausufernde Konsumtivförderung von Arbeitslosen". Das sind die Schlagworte derjenigen, die uns das Leben so zur Hölle machen wollen, daß wir schließlich bereit sind, jeden Scheißjob anzunehmen, oder wieder anfangen, unsere Wäsche mit der Hand zu waschen, weil kein Geld für eine Waschmaschine da ist. Die Parole "Nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeit finanzieren" ("Investivförderung" heißt das bei Euch) stammt von Politikern wie der Kölner Sozialdezernentin Christiansen, die damit die Leute unter Androhung der Streichung der Sozialhilfe in Arbeit reinpreßt. Dabei wird die gerne auf alternative Arbeitsprojekte zurückkommen, wenn sie sich daran beteiligen, den Faulenzern mal den Wert der Eigenarbeit klarzumachen.
  Wir haben alle Hände voll damit zu tun, uns die Arbeit vom Hals zu schaffen, die nur dazu dient, dieses wahnsinnige System aufrechthalten. Mit Eurem Loblied auf Arbeit und Altenativbetriebe macht ihr Euch zu deren hilfreichen Stütze. Dabei scheint es Euch auch nicht mehr zu stören, wenn jemand seinen Profit aus der Arbeit anderer zieht: "Auch gewöhnliche Betriebe sollen integriert werden, sofern sie sinnvolle und umweltverträgliche Dienstleistungen anbieten oder vertreiben..." Ganz "gewöhnliche" Betriebe sind für uns ganz gewöhnliche Ausbeuter unserer Arbeitskraft, wobei es uns scheißegal ist, ob die den blauen Engel auf ihre Produkte kleben dürfen oder nicht.
  Wenn ihr wenigestens ernsthaft das Geld kritisieren würdet. Uns stinkt es auch, daß der gesamte Zusammenhang zwischen den Menschen über Geld läuft und vom Geld zerstört wird. Aber ihr bemüht die Geldkritik nur da, wo ihr Euch Beifall von denjenigen erhofft, die an ganz bestimmten Stellen Geld einsparen wollen. z.B. bei den Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängerinnen. Für Euch selber hingegen bettelt ihr hingegen um Geld, und die "sinnvollen" Unternehmer sollen beim Vertrieb ihrer "sinnvollen" Produkte auch ihren Reibach machen können.
  Wenn ihr in Eurer Geldkritik nicht ernsthaft seid (sonst könntet ihr nicht so naiv ein Loblied auf die Arbeit anstimmen), merkt ihr nicht, wem ihr zuarbeitet: dem Profit! Irgendetwas müßt ihr im Sozialkundeunterricht falsch verstanden haben. Wenn der Staat seine Sozialausgaben einschränken kann, dann bedeutet das nicht, daß insgesamt weniger Geld da ist und wir uns auf dem Weg zur schleichenden Abschaffung des Geldes befinden. Es heißt nur, daß dieses Geld dann woanders ist: in den Taschen der Kapitalisten.
  In dieser absurden Arbeitsgesellschaft müssen wir tagtäglich gegen den Zwang zur Arbeit und um unsere Mittel zum Leben kämpfen. Mit Euren Ratschlägen für weitere Sparmaßnahmen und Euren Konzepten für mehr Arbeit stellt ihr Euch in diesem Kampf auf die Seite der Herrschenden und der Ausbeuter. Schade!
 
  Sklaven in Aufruhr
 
  Kontakt: c/o kumm erus, Elsaßstr.34, 50677 Köln.
 


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