Sozialistische Zeitung

SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.08 vom 15.04.1999, Seite 4

Freihandel für die Krisenregion

In Berlin trafen Ende März die Außenminister der Europäischen Union mit ihren Kollegen aus der Mehrzahl der Länder Ost- und Südostasiens zusammengekommen, darunter auch Vertreter der VR China, Südkoreas und Japans. Seit drei Jahren finden derartige Gesprächsrunden regelmäßig statt und sind als Asiatisch-Europäisches Treffen (ASEM) institutionalisiert.
  Im Mittelpunkt der Zusammenarbeit steht die wirtschaftliche Kooperation, allerdings wurden auch andere Themen, wie Umweltpolitik, Abrüstung und Menschenrechte berührt. Der deutsche Außenminister Fischer (Grüne) nutzte erneut die Gelegenheit, um für offene Märkte "selbstverständlich auch auf Seiten der europäischen Union" zu werben. Von Fachleuten der Weltbank waren allerdings am Wochenende wiedereinmal Klagen zu hören, die EU unternehme zu wenig, um den asiatischen Ländern mit der Öffnung der europäischen Märkte aus der Krise zu helfen. Die unausgeglichene, chronisch postive deutsche Handelsbilanz scheint das zu bestätigen.
  Dessen ungeachtet verlangte Fischer das Nachdenken über eine europäisch-asiatische Freihandelszone. Auch die von den Regierungen eingesetzte Aisa-Europe Vision Group fordert in ihrem am Montag vorgelegten Bericht einen Rahmenplan, um bis zum Jahre 2025 eine solche Zone zu etablieren. Zur ASEM-Gruppe gehören in Südostasien auch Länder wie Thailand, die Philippinen und Indonesien, deren Industrien kaum in der Lage sein werden, auf einem offenen Markt mit europäischen, koreanischen oder japanischen Anbietern zu konkurrieren.
  Dennoch einigte man sich in Berlin darauf, möglichst schnell zu einer neuen Runde in den Verhandlungen um die Liberalisierung des Welthandels zu kommen. Ob dabei auch die Vorschläge erneut auf den Tisch liegen, die im Zusammenhang mit dem inzwischen eingefrorenen MultilateralenAbkommen über Investitionsschutz (MAI) für viel Furore gesorgt hatten, ist noch unklar. Leon Brittan, Vizepräsident der EU-Kommission mochte sich diesbezüglich nicht festlegen.
  Auch der Kosovo stand auf der Tagesordnung. Man sei auf viel Verständnis gestoßen, meinte der deutsche Staatssekretär Vollmer (Grüne) auf einer abschließenden Pressekonferenz. Allerdings scheint es auch Kritik gegeben zu haben. Malaisia, daß die Positionen der asiatischen Länder dargestellt hat, habe darauf hingewiesen, daß es unbefriedigent sei, daß nicht alle Formen des Völkerrechts beachtet worden seien. Die Mißachtung des UN-Sicherheitsrats durch die NATO wurde nach Vollmers Aussage nicht direkt angesprochen. Gegenüber der Presse gab der Grüne eine Kostprobe seiner politischen Bildung: "Die schlimmsten Menschenrechtsverletzungen, die man sich überhaupt vorstellen kann, finden derzeit im Kosovo statt."
  Auch ansonsten wurde das Thema Menschenrechte vor allem gegenüber China und in Hinblick auf die Situation in Burma wiederholt angesprochen. Den Unterschied zwischen Tibet und dem Kosovo mochte Vollmer allerdings nicht öffentlich gegenüber einer linken Zeitung erläutern, solange diese nicht auch Milosevics Vorgehen verbrecherisch nenne.
  Am Wochenende vor dem Ministertreffen organisierten Asien-Solidaritätsgruppen und europäische Geberorganisationen eine kleine Konferenz, zu der auch einige Vertreter ostasiatischer sozialer Bewegungen gekommen waren. Deren Beiträge - z.B. über die Lage der Frauen auf den Philippinen und eine neue Offensive der koreanischen Gewerkschaften - gehörten zu den Lichtblicken dieses Treffen. Ansonsten erging man sich vor allem in Forderungen an die europäischen Regierungen, in Asien für die Einhaltung der Menschenrechte zu sorgen. Am weitesten ging ein Mitarbeiter der grünennahen Heinrich-Böll-Siftung, der den Kosovo-Einsatz begrüßte und Parallelen zu Tibet zog.
  Ansonsten konnten sich die asiatischen Teilnehmer an manchem Beitrag europäischer Fachleute ergötzen, die ihnen die Lage in Asien erklärten. Diesbezügliches Highlight stellte ein Vortrag von Astrid Lipinsky von Terre des Femmes dar, die hervorhob, wie positiv es sei, daß auch (!) in Asien inzwischen Frauen in höchste Regierungsämter gelangen. Als Beispiel führte sie Corazon Aquino an, unter deren Herrschaft sich der Krieg gegen die kommunistische Guerilla auf den Philippinen dramatisch zugespitzt hatte.
  Wolfgang Pomrehn
 


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