Sozialistische Zeitung

SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.09 vom 29.04.1999, Seite 2

Brie mal wieder

Wiederholungstäter

von WOLFGANG POMREHN

Daß André Brie keine Tabus kennt, ist nicht unbedingt etwas Neues. So wundert es denn auch nicht weiter, daß er sich den antikommunistischen Spiegel aussucht, um mal wieder ein wenig auf die PDS einzudreschen. Er könnte seine Thesen natürlich auch auf Parteitagen vertreten, denn schließlich ist er kein Nobody, sondern Leiter des Wahlkampfbüros und Nummer Zwei auf der Liste zur Europawahl. Doch sind das Wahlämter und deshalb ist es ratsam, auf den Parteitagen ein klein wenig in radikal zu machen - ganz unverbindlich versteht sich - und die Nadelstiche, die die PDS in Richtung Koalition mit der SPD treiben sollen, für die bürgerliche Presse aufzusparen. Schließlich soll die PDS endlich im neuen Deutschland "ankommen", und da hat sie eben auch dessen spezielles Demokratieverständnis zu lernen.
  Also können wir jetzt im Spiegel nachlesen - und da ist Brie nicht einmal zu widersprechen -, daß es in Teilen der PDS zu still wird, wenn es um die Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen durch die serbische Regierung geht. Doch Brie wäre nicht Brie, wenn er mit dieser Mahnung und ihrer Placierung nicht eine Absicht verfolgte. Es gilt zunächst einmal auf die Linken einzukloppen, "die vor kurzem noch nationalen Befreiungsbewegungen ein recht auf Gewalt zugestanden haben, (und nun) plötzlich den Pazifismus hochhalten." Daß es einen derartigen Meinungsumschwung in der PDS gar nicht gegeben hat, weiß natürlich Brie selbst am besten, aber das ist nebensächlich. Wichtig ist, gegen den "platten Pazifismus" zu polemisieren, denn die Lage auf dem Balkan ist schließlich "schwierig".
  Nun würde er sich wahrscheinlich eher auf die Zunge beißen, als in der gegenwärtigen Situation einer "militärischen Konfliktlösung" das Wort zu reden. Deshalb läßt er es beim Andeuten. Daß er allerdings mit solchen Positionen liebäugelt, ist spätestens seit seinem Vorstoß in der Diskusssion um das Europawahl- Programm im alten Bundesvorstand bekannt. Selbstverständlich soll alles schön im Rahmen von UNO, OSZE oder ähnlichem bleiben. Zunächst. In Westdeutschland erinnert sich vielleicht noch mancher, daß bei SPD und Grünen - zu unterschiedlichen Zeiten - die Aufweichung der antimilitaristischen Positionen auch einmal so angefangen hat. Brie sozusagen der Norbert Gansel der PDS.
  Wie einst Joschka Fischer weiß Brie genau, wo er hin will: Zwar schwinde derzeit die "gemeinsame Substanz" mit der SPD, "aber bis zur nächsten Bundestagswahl 2002 ist viel Zeit". Zeit, in der aus der SPD sicherlich keine pazifistische Partei werden wird, aber vom Pazifismus hält Brie ja auch nicht viel. Seine Begründung für den eingeschlagene Koalitionskurs haben wir ebenfalls schon mal gehört. "Ohne SPD kann die PDS ihre Ziele … nicht durchsetzen." Mit auch nicht, wie man derzeit am Beispiel der Grünen studieren kann. Von denen könnte die PDS in den nächsten Monaten auch lernen, wohin die politische Selbstaufgabe um der warmen Pöstchen willen führt. Ob die Lektion vor Wiederholung schützt?


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