Sozialistische Zeitung |
Auf dem Balkan ist niemand unschuldig, vor allem was die sog. "ethnischen Säuberungen"
angeht, die zuallererst von der kroatischen Regierung praktiziert wurden. Niemand redet mehr von den 800.000 serbischen Flüchtlingen,
die aus der Krajina und aus Slawonien von Haus und Hof vertrieben wurde, wo sie seit Generationen lebten; heute haben sich Kroaten dort
eingerichtet.
Bis vor kurzem konnte nur Mazedonien als "unschuldig" gelten, aber jetzt ist auch dieser Staat in den Händen einer Bande von
Nationalisten gelandet, die schwere Fehler gemacht hat und jetzt wohl auch schwere Verbrechen begeht: denken wir nur an die Behandlung der
Flüchtlinge aus dem Kosovo, aber auch daran, daß sie das Territorium den NATO-Truppen für ihre Aggression zur
Verfügung gestellt hat.
Von allen diesen wird jedoch nur auf Serbien gezeigt, Milo?sevi´c als die einzige Verkörperung des Bösen dargestellt.
Dabei hat er seine Vorstellungen und seine Haltung in den letzten Jahren nicht geändert. Bis vor kurzem unterhielt er ausgezeichnete
Beziehungen sowohl zu den USA als auch zu Europa. Bis zuletzt konnte er Waffen von den Ländern kaufen, die ihn jetzt angreifen, und er
hat erhebliche Geldmittel bekommen. Die italienische Telekom z.B. hat zusammen mit der griechischen OTE Anteile an der Belgrader
Telekommunikationsgesellschaft gekauft, was ihm viele Devisen eingebracht hat. Milo?sevi´c war auch der wichtigste Garant des
Dayton-Abkommens.
Jetzt wird er mit Saddam Hussein auf eine Stufe gestellt und als "Krebsgeschwür" und "neuer Hitler" bezeichnet,
den es auszurotten (zu stürzen) gilt.
Der Vergleich ist willkürlich, er hilft aber auch, den wirklichen Sinn dieses Krieges zu verstehen. Im Golfkrieg 1991 ging es den USA
darum, das "Vietnam-Syndrom" und die vier Jahre später erfolgte demütigende Besetzung der US-Botschaft in Teheran
zu überwinden. Es ging darum, aller Welt zu beweisen, daß die USA ihre militärische Interventionskraft
zurückgewonnen hatten, daß sie neue Waffen ausprobierten (teilweise sogar auf dem Rücken von US-Soldaten, wie bei der
Munition mit abgereichertem Uran), daß sie die Propagandamaschine perfekt beherrschten und die Pannen aus dem Vietnamkrieg
überwunden hatten.
Im Kosovo geht es schlicht darum, ein Exempel zu statuieren, das nicht allein dem Balkan gilt. Man will beweisen, daß man in der Lage
ist, in kürzester Zeit ein furchterregende Kriegsmaschinerie auf die Beine zu stellen, sie zu testen und die Generalprobe eines Krieges
durchzuführen, der morgen im Falle neuer Umwälzungen auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion nötig sein
könnte.
Das ist ein erheblich ernsteres und begründeteres Motiv als das, was zynischerweise der Weltöffentlichkeit präsentiert wird.
Deshalb wurde nicht einmal versucht, die UNO miteinzubeziehen, weil das auf die Ablehnung Rußlands und anderer ehemals
sowjetischer Staaten gestoßen wäre - obwohl man wußte, daß diese neue Demütigung der vor zehn Jahren noch
zweitgrößten Macht der Welt zwangsläufig schwerwiegende psychologische Auswirkungen in der russischen
Bevölkerung, vor allem unter den Militärs, haben würde.
Heute sind in diesen Krieg alle wichtigen kapitalistischen Länder Europas involviert. Einige wie Deutschland und Italien haben direkte
Interessen im Balkan; alle zusammen aber sind davon überzeugt, daß sie sich darauf vorbereiten müssen, eine (für sie)
gefährliche Entwicklung der Lage in der Ex-UdSSR zu verhindern. Die Bombe auf Hiroshima mußte nicht deswegen fallen, um das
bereits am Boden liegende Japan zur Kapitulation zu zwingen, sondern um der Sowjetunion zu drohen. So dient auch der so willkürlich
zerstörerische Krieg auf dem Balkan dazu, Rußland rechtzeitig einzuschüchtern, daß es von antiwestlichen Reaktionen
auf die enttäuschenden Erfahrungen mit der Öffnung zum Kapitalismus absieht.
Und natürlich sorgt dieser Krieg wieder für märchenhafte Profite.
A.M.