Sozialistische Zeitung |
Sprache verfremdet und Sprache bringt es auf den Punkt. Die Sprache der Arbeitswelt spricht von einem
"Sozial"produkt, obgleich dieses brutto wie netto unsozial ist. Hört ein Beschäftigter den Begriff "Bündnis
für Arbeit", dann kann er davon ausgehen; daß "rationalisiert", also Arbeit abgeschafft wird, wobei bereits der
Begriff "Rationalisierung" die Verhältnisse auf den Kopf stellt. Ein solcher Prozeß der Arbeitsplatzvernichtung ist -
volkswirtschaftlich gesehen - meist wenig "rational" und tatsächlich "irrational", die Gesamtinteressen
schädigend.
In wenigen Momenten allerdings blitzt durch die Sprache der kapitalistischen Arbeitswelt die Realität. Das gilt zum Beispiel für
den Begriff "Jobkiller". Arbeit wird hier reduziert auf den Aspekt der Wert- und Mehrwertproduktion: ein "Job". Die
Abschaffung solcher "Jobs" durch Konkurrenz und "Rationalisierung" wird mit Existenzvernichtung - mit: "To
kill" - verdeutlicht.
Sprache verfremdet auch im Krieg und bringt es gelegentlich auf den Punkt. Im neuen Balkankrieg ist die Rede von "Konflikt" und
"Luftoperationen", wenn Krieg und Bombardierungen gemeint sind. Es heißt, es müsse eine "humanitäre
Katastrophe" verhindert werden - der Duden übersetzt "Humanität" mit "menschenfreundlich;
wohltätig" - tatsächlich wird eine menschliche Katastrophe geschaffen.
Wenn NATO-Sprecher Shea von einer "intensiven Suche nach einer Friedenslösung" spricht, dann findet gerade die
Intensivierung der Bombardierung statt. Die bisher wichtigste Wortschöpfung dieses neuen Balkankriegs, der
"Kollateralschaden", ist wörtlich als ein "am Rande aufgetretener Schaden" zu übersetzen, meint jedoch das
Gegenteil: einen Bomben- oder Raketenangriff, bei welchem es vor allem zivile Opfer gab.
Inzwischen taucht der Krieg in vielen Beschreibungen als Arbeit auf. So ist in mehreren Artikeln vom "Job" der Bomberpiloten die
Rede. In einem jüngeren Artikel im Stern wird ein deutscher Bundeswehrsteuermann auf dem US-Flugzeugträger Philippine Sea
inmitten seines Kriegshandwerks zitiert mit: "Die Zufriedenheit mit dem Beruf ist auf Rekordhöhe." Der Kapitän
desselben Schiffs sagt offen: "Es ist eine Kriegführung, die den Menschen total rausnimmt."
In der Welt am Sonntag, einer Zeitung, die den NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien unterstützt, fand sich die nüchterne
Beschreibung der Tatsache, daß die NATO in Jugoslawien immer mehr zivile Ziele - Brücken, Heizkraftwerke, Fernsehsender,
Wohnsiedlungen - bombardiert. Daran anschließend heißt es dort: "Was könnte die NATO auch anderes tun?
Bodentruppen will sie nicht einsetzen und die erkannten militärischen Ziele sind weitgehend abgearbeitet."
Der größte deutsche Verherrlicher des Kriegshandwerks und Wegbereiter des Nationalsozialismus, Ernst Jünger,
veröffentlichte in den 30er Jahren das Buch "Der Arbeiter". In diesem setzte er Arbeit und Kriegshandwerk und Arbeiter und
Soldat gleich; das "Stahlgewitter" - so ein anderer Buchtitel - des Kriegs würde, so Jünger, erst die Menschwerdung
vollenden.
Thomas Mann bezeichnete Jünger aufgrund dieser inhumanen Verkehrung der Werte als "Genüßling des
Barbarismus". Es ist von dort kein weiter Weg zum deutschen Außenminister Joseph Fischer, dessen Aussage zum Krieg und zu den
Aufgaben der Grünen in der Wirtschaftswoche wie folgt zitiert wird: "Jetzt werden die Grünen gehärtet oder zu Asche
verbrannt werden."
Winfried Wolf