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Eines der größten Probleme für die linken Gegner des NATO-Krieges in Frankreich besteht
darin, sich scharf von der ebenfalls massiv gegen die NATO-Intervention und zugunsten des serbischen Nationalismus mobilisierenden
extremen Rechten abzugrenzen.
Jean-Marie Le Pen hat am 6.April in einem Interview mit dem Boulevardblatt Le Parisien klargestellt: "Ich bin für das
nationalistische Serbien." An den Pariser Demonstrationen zum 1.Mai, die die beiden derzeit erbittert miteinander rivalisierenden
Führer des französischen Neofaschismus - Le Pen und Bruno Megret - organisierten (mit jeweils 3000-4000 Teilnehmern),
beteiligten sich auch kleinere Gruppen serbischer Nationalisten.
Die größte Schwierigkeit für die linken Kriegsgegner in Frankreich liegt indes nicht in den Positionen der beiden
neofaschistischen Formationen (die ihrer Politik während des Irak-Kriegs 1991 ähneln). Denn die beiden Fronts Nationaux
mischen sich nicht in die von Linken organisierten Demonstrationen; desungeachtet bleibt die scharfe politische Abgrenzung von ihrer
Argumentation natürlich unabdingbar.
Die größte Schwierigkeit liegt in der Abgrenzung von der intellektuellen "Neuen Rechten", die auf den "Einbruch
in linkes Territorium" spezialisiert ist. Die führenden Köpfe der "Neuen Rechten" um Alain de Benoist (Kopf der
"Denkfabrik" GRECE), die in den 60er und 70er Jahren daran arbeiteten, die NS-Rassentheorie zu "modernisieren" und
mit "wissenschaftlichen Erkenntnissen" zu untermauern sowie progressive Versatzstücke darunterzumischen, haben nun einen
Petitionstext mit dem Titel "Non à la guerre" (Nein zum Krieg) lanciert. Die Petition trägt mittlerweile auch die
Unterschrift einer Reihe von Persönlichkeiten außerhalb der extremen Rechten und wird auf den Demonstrationen gegen die
NATO-Angriffe verteilt. Das Kollektiv "Non à la guerre" hat sich zum Ziel gesetzt, 100.000 Unterschriften zu sammeln; zum
aktuellen Zeitpunkt sind, nach kaum überprüfbaren Eigenangaben, 40.000 Unterschriften (Libération, 22.4.1999)
beisammen, darunter die von 400 "Persönlichkeiten".
Der Text hebt insbesondere auf die Gefahr einer Unterordnung der Europäer unter die amerikanische Hegemonie ab, ist jedoch politisch
in einer Weise formuliert, die keine klare ideologische Urheberschaft erkennen läßt. Neben Alain de Benoist findet sich eine ganze
Galerie rechtsextremer Intellektueller als Unterzeichner, mögen sie nun Le Pen (Jean Mabire) oder Bruno Megret (Claude Polin und
Claude Rousseau, führende Köpfe der neofaschistischen Theoriezeitschrift "Identite") nahestehen oder auch Leitartikler
beim nach rechtsaußen überhängenden Figaro-Magazine (der Wochenendbeilage der größten konservativen
Tageszeitung Frankreichs) sein, wie Alain Griotteray. Als internationale Unterstützer tauchen aus deutschen Landen u.a. Dieter Stein,
"Direktor Jünge Freiheit" (sic) und der rechtsextreme "Friedensforscher" Alfred Mechtersheimer auf.
Eine ganze Reihe linker Persönlichkeiten, die den Aufruf ursprünglich in Unkenntnis der Hintergründe unterzeichnet hatten,
zogen ihre Unterschrift mittlerweile zurück, bspw. der linksradikale Sänger Renaud und die grüne Pazifistin Solange Ferneix.
Die große Presse, namentlich "Le Monde" und "Liberation", hat mittlerweile mehrfach deutlich die "neu-
rechte" Herkunft der Petition herausgestellt. Doch nach wie vor, mutmaßlich in Unkenntnis der Hintergründe, stehen bspw. die
PS-Politikerin und Anwältin Gisèle Halimi sowie der Dramaturg Harold Pinter und der britische linke Kinomacher Ken Loach
unter dem Aufruf (die beiden letzteren haben ihn erst jüngst unterzeichnet). Die "Neu-Rechten" hatten wirklich in allen
Richtungen um Unterstützung geworben: in grünen und kommunistischen Kreisen, unter Anarcholibertären und unter
Gaullisten, die aus patriotischen Gründen die Teilnahme Frankreichs an einer US-geführten NATO-Operation ablehnen.
Im Department Val-dOise, der nördlichen Pariser Banlieue, unterhält das "Kollektiv Nein zum Krieg" ein
ständiges Infotelefon, auf dessen Anrufbeantworter täglich neue Nachrichten abzuhören sind. Wer bspw. am 15.April die
Ansagen des Infotelefons abhörte, wurde nichtsahnend zu einer Veranstaltung "gegen den Krieg" am 16.April im Pariser Hotel
Concorde-Lafayette eingeladen. Leider vergaßen die eifrigen Kriegsgegner zu präzisieren, daß es sich um jene des
Neofaschisten Bruno Mégret handelte. Sie stand unter dem Motto "Clinton, ne touche pas a lEurope" (Clinton,
rühr Europa nicht an). Am 21.April 1999 hielt das Kollektiv in Paris dann eine eigene Veranstaltung mit rund 400 Teilnehmern ab, zu der
ebenfalls alle gutgläubigen Anrufer eingeladen worden waren. Als Stargast gab es dieses Mal den GRECE-Gründer und
"neu-rechten" Chefideologen Alain de Benoist. Und als ideologisches Menü scharfe Angriffe auf die USA - nicht aber auf die
Interessen europäischer Mächte, die, wie vor allem Deutschland, erheblich zur Eskalation auf dem Balkan beigetragen haben - und
auf Israel und seine angeblich "faschistische Regierung". Da man dem Staat Israel - wie immer man sonst zu seiner Politik stehen
mag - nun wirklich nicht vorwerfen kann, am Krieg auf dem Balkan schuld oder auch nur an ihm beteiligt zu sein, beweist dies die wahnhafte
Fixierung des "neurechten" Weltbilds.
Bernhard Schmidt