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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.11 vom 27.05.1999, Seite 3

Nicht auf Kosten anderer

EuroMarsch gegen Rassismus

Für die SoZ sprach Gerhard Klas mit Hellmuth Stamm, einem Mitarbeiter in der Wuppertaler Koordinationsgruppe der EuroMärsche.

Die "Europäischen Märsche gegen Erwerbslosigkeit, ungeschützte Beschäftigung, Ausgrenzung, Rassismus und Krieg" demonstrieren am 29.Mai in Köln gegen das Treffen der EU-Regierungschefs knapp eine Woche später. Dort soll vor allem über einen europäischen Beschäftigungspakt zur Ausweitung des Billiglohnsektors und über eine verteidigungspolitische Struktur der EU im Rahmen der NATO entschieden werden. Bereits am 27.Mai kam eine Fahrradkarawane, bestehend aus Erwerbslosen, Obdachlosen und Migranten nach Wuppertal. Was war der Grund ihres Besuchs?
Der EuroMarsch mobilisierte bereits vor zwei Jahren zu einer Großdemonstration anläßlich des Amsterdamer EU-Gipfels 50.000 Menschen. Damals war der Sozialabbau in Europa Schwerpunkt, es beteiligten sich viele Erwerbslosenorganisationen, Obdachlose und Gewerkschaften. Dieses Jahr sind in Deutschland vor allem auch antirassistische Gruppen und Migranten mit dabei. Die Karawane von Prag nach Köln beschäftigte sich gerade deshalb gezielt mit der Festung Europa, die für uns Ausdruck des institutionalisierten Rassismus in Europa ist. Die enge Verknüpfung mit dem Rassimus ist mit Bedacht gewählt. Die EuroMärsche wollen die unterschiedlichen Kämpfe, die gegen die Politik der EU geführt werden, bewußt zusammen bringen. Es kann meiner Meinung nach nicht oft genug betont werden, daß das Problem der Erwerbslosigkeit und des Sozialdumpings nicht auf Kosten anderer zu lösen ist. Rechte Gruppen, die von "Arbeit zuerst für Deutsche" sprechen, haben bei den EuroMärschen nichts verloren.
  Wuppertal war nach Bochum die vorletzte Etappe. Bis dahin sind die Radfahrer bereits zweieinhalb Wochen unterwegs gewesen: Sie starteten in Prag und hielten u.a. in zahlreichen ostdeutschen Städten, z.B. in Dresden, Leipzig und Halle. Die Karawane hat sich ständig verbreitert. Überall sind neue Leute hinzugestoßen.

Was hat dich persönlich bewogen, Zeit und Arbeit in diese Initiative zu stecken?
Mir gefällt vor allem die Breite der Themenpalette. EuroMarsch reduziert seine Arbeit nicht nur auf das wichtige Thema Erwerbslosigkeit, sondern ist darüberhinaus in der Lage, europaweit verschiedene soziale Kämpfe miteinander zu verknüpfen. Für viele Bereiche, z.B. Flüchtlings- und Arbeitsmarktpolitik, wird der politische Handlungsrahmen mehr und mehr auf EU-Ebene abgesteckt. Deswegen und um zu verhindern, daß beispielsweise Flüchtlinge gegen Europäer, Beschäftigte gegen Erwerbslose oder Männer gegen Frauen ausgespielt werden können, ist ein gemeinsames Vorgehen an der Tagesordnung.
  Das gilt nicht nur für Europa. Im Zeitalter der Globalisierung müssen wir auch den Internationalismus neu beleben. In Wuppertal haben sich deshalb auch einige indische Kleinbauern an den EuroMarsch-Aktionen beteiligen. Die Inder sind für einen Monat auf Europatour. Sie wollen gegen die Politik der Konzerne aus der Agrar- und Chemiebranche demonstrieren, die verheerende Auswirkungen auf ihre Existenzbedingungen hat.

Auf ihrem jüngsten Treffen Mitte April hat die europäische Koordination der EuroMärsche aus gegebenem Anlaß die Themenpalette um "EuroMärsche gegen Krieg" erweitert. Ist dies eine einfache Addition oder gibt es auch eine inhaltliche Verknüpfung zum Krieg?
Sozialabbau und Rassismus in Europa würde es auch ohne den Krieg im Kosovo geben. Die Erklärung der europäischen Koordination zum Krieg hat mich jedoch ein weiteres Mal darin bestärkt, an der richtigen Stelle aktiv zu sein. Die Koordination nimmt nicht nur deutlich Stellung gegen den Krieg, sondern vermeidet auch einen Fehler, den einige Kriegsgegnerinnen und -gegner zur Zeit machen: Nur weil man gegen den NATO-Einsatz ist, muß man nicht reflexartig Position für Milosevic und den serbischen Nationalismus beziehen.
  Was ist nun das Bindeglied zwischen Erwerbslosigkeit und ungeschützter Beschäftigung einerseits und dem Krieg im Kosovo andererseits? Es sind die politischen und wirtschaftlichen Eliten. Im Innern Europas drücken sie ihre Dumpingmaßnahmen im Sozialbereich durch und in der Außenpolitik ihre Vorstellungen von einer neuen Weltordnung. Sie sind es, die in beiden Fällen vom Elend anderer Menschen profitieren.


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