Sozialistische Zeitung |
Der erste "rot-grüne" Haushalt ist durch den Bundestag, doch den großen Wurf, auf den
der eine oder andere nach der Ablösung der Kohlregierung immer noch hofft, sucht man in ihm Vergebens. Unterschiede zu den Etats der
Vorgänger sind nur mit der Lupe zu finden. "Absolute Kontinuität", so die PDS-Abgeordnete Christa Luft, bewahre die
neue Kolaition vor allem in Hinblick auf die Rüstungsausgaben und Prestigeobjekte wie den Transrapid oder die bemannte
Raumfahrt.
Eine nachhaltige Wende sei mit dem Haushalt 1999 nicht vollzogen. Die vorgenommenen Einsparungen bei Subventionen und
Personalausgaben, mit denen die Neuverschuldung um 2,7 Mrd. DM gedrückt wurden, könnten sich nach Ansicht der PDS-
Haushaltsexpertin schon bald als Boomerang erweisen. Das Sparen am falschen Ende berge die Gefahr weiterer Arbeitsplatzvernichtung und
damit kommender Mindereinnahmen in sich. Ein Pyrrhussieg also. Selbst begrüßenswerte Ansätze, warnt die
Ökonomin, werden nicht ohne weiteres wiederholbar sein, da sie, wie das 100.000-Dächer-Solarprogramm oder das Programm
zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit durch Privatisierungserlöse finanziert wurden. Bezahlt aus der Substanz also, und nicht
aus den laufenden Einnahmen. Die Ausgaben für Kinder und Jugendliche seien ansonsten trotz des Sonderprogramms gar
zurückgegangen.
Und der erste Nachtragshaushalt scheint auch schon in Sicht. Schuld dürfte die NATO-Aggression gegen Jugoslawien sein. Angesichts
dessen, daß sich der Krieg immer mehr hinzieht, sind seine Kosten im aktuellen Etat zu niedrig angesetzt, fürchtet man bei der
Fraktion der Demokratischen Sozialisten. Dabei muß Kriegsminister Scharping nur für den kleineren Teil der Summe aufkommen.
Um 300 Mio. DM wird sein Säckel für den Einsatz der Luftwaffe erleichtert. Weitere 441 für den Einsatz des Heeres sollen
aus der Allgemeinen Finanzverwaltung, d.h. aus Eichels Schatulle kommen. Der muß auch für die "humanitäre
Hilfe" der Bundeswehr in Albanien und Mazedonien sorgen, für die 360 Mio. DM ausgegeben werden sollen.
Nicht eingerechnet sind in diese Ausgaben die Wiederbeschaffungskosten für die verschossene Munition. Zum Beispiel wurden bisher
rund 200 HARM-Raketen von deutschen Tornados über Jugoslawien abgefeuert (mindestens eine davon ging in Bulgarien nieder). Diese
Hightech-Mordmaschinen kosten derzeit 1,2 Mio. DM das Stück. Macht zusammen 240 Mio. DM. Insgesamt haben SPD und Grüne
47,049 Mrd. DM für Scharpings Kriegskasse springen lassen, mit -450 Mio. DM nur unwesentlich weniger, als Volker Rühe zur
Verfügung hatte. Zählt man die diversen versteckten Posten mit, rechnen Experten der PDS-Fraktion vor, dann ergeben sich nach
NATO-Kriterien Summa summarum 58 Mrd. DM, die als Militärausgaben zu werten sind.
Darunter findet sich auch ein Posten für ein Lieblingskind deutscher Rüstungsfetischisten: Lang sind die Tage her, als der
Widerstand gegen den Jäger 90 bis in die Reihen der FDP reichte. Heute heißt das Projekt Eurofighter und die Regierungsparteien
sind irgendwann im Herbst letzten Jahres von seinen Gegnern zu Befürwortern konvertiert. 1,2 Mrd. DM sind 1999 für ihn in den
Etat eingestellt. Daneben nehmen sich die 200 Mio. DM, die auf den letzten Drücker noch für die Förderung erneuerbarer
Energien zusammengekratzt wurden, doch recht bescheiden aus. Bisher wurden bereits 8 Mrd. DM in die Eurofighter-Entwicklung gesteckt.
Weitere 30 Mrd. DM sind für die Beschaffung geplant. Die Betriebskosten mitgezählt, so Luft, wird aus dem ganzen schnell ein
100-Milliarden-Ding.
Auch ansonsten haben die Friedensfreunde in der Regierung einiges an Rüstung vorgesehen, die Modernisierung der Bundeswehr dabei
fest im Auge. Die von der Kohlregierung begonnene Umschichtung innerhalb des Kriegs-Etats wird fortgesetzt. Der Posten militärische
Beschaffung steigt in diesem Jahr um eine knappe Milliarde DM auf 7,3 Mrd. DM. Auf dem Wunschzettel der Militärs für die
nächsten Jahre stehen u.a. neue Hubschrauber vom Typ Tiger, Fregatten, Gepanzerte Transportfahrzeuge und Einsatzgruppenversorger.
Letzteres sind Schiffe, die bis zu 40 Tage auf See bleiben können und Material sowie Waffen für Truppen transportieren.
Derartig wehrhafte "rot-grüne" Haushaltspolitik bedarf natürlich auch der ideologischen Komponente, daher fehlen im
Ansatz der neuen Regierung nicht die Zahlungen für "deutsche" Minderheiten in Osteuropa in zweistelliger
Millionenhöhe. Und auch die Revanchistenverbände gehen nicht leer aus. Ihre Zuwendungen steigen 1999 sogar. Da sage
nocheinmal einer, Sozis und Grüne seien vaterlandslose Gesellen.
Wolfgang Pomrehn