Sozialistische Zeitung |
In den 80er Jahren herrscht quer durch alle im Bundestag vertretenen Parteien ein Konsens, wonach das
Grundgesetz sowie die deutsche Geschichte Out-of-Area-Einsätze der Bundeswehr verbieten. Darüber hinaus fordern die
Grünen die Auflösung der NATO und langfristig die Abschaffung der Bundeswehr (so z. B. im Bundestagswahlprogramm,
verabschiedet im März 1990 in Hagen).
August 1990: Nachdem der Irak in Kuwait eingefallen ist, fordert Udo Knapp, ein Mitarbeiter der grünen Bundestagsfraktion, ein
militärisches Engagement Deutschlands im Golfkrieg.
Juli 1992: Daniel Cohn-Bendit fordert, dem Krieg in Bosnien müsse mit militärischer Gewalt Einhalt geboten werden. In den
darauffolgenden Monaten leistet die grünnahe Tageszeitung mit ihrem Bosnien-Korrespondenten E.Rathfelder Cohn-Bendit publizistische
Schützenhilfe.
Juni 1993: In einem Beschluß des Länderrats heißt es, "der Einsatz von Zwang und Gewalt" dürfe
angesichts des Krieges in Bosnien nicht "von vornherein völlig ausgeschlossen werden".
Oktober 1993: Nach heftiger Kritik der Basis an diesem Beschluß findet in Bonn ein Sonderparteitag statt. Cohn-Bendit wiederholt seine
Forderung nach einer Militärintervention zugunsten der bosnischen Moslems. Die Delegierten stimmen zu 90% für den u.a. von
Ludger Volmer und Angelika Beer begründeten Antrag, der Militärinterventionen ablehnt.
Dezember 1994: In einem Interview sagt Joschka Fischer: "Für die Zukunft sehe ich die erhebliche Gefahr, daß die
Bundesregierung, Koalition und Generalität nach den Gesetzen der Salamitaktik Anlässe suchen oder Anlässe schaffen
werden, um die Barrieren abzuräumen, die es gegenüber der Außenpolitik des vereinigten Deutschland noch gibt. Als
Vehikel dienen dabei die Menschenrechts- und die Humanitätsfragen."
Juni 1995: 4 grüne Abgeordnete (Beck, Lippelt, Poppe, Schoppe) stimmen für, 41 gegen die Entsendung deutscher Soldaten und
Tornados zur Unterstützung der Schnellen Eingreiftruppe in Bosnien.
Juli 1995: Joschka Fischer präsentiert ein Grundsatzpapier, in dem er eine militärische Sicherung der Schutzzonen fordert. Zwar
sei die Beschlußlage der Partei vom Oktober 1993 eindeutig, doch habe sich nun die Lage in Bosnien "massiv zugespitzt und
dramatisch verändert". Cohn-Bendit sieht Fischer "auf dem richtigen Weg … Fischer hat allerdings - im Gegensatz zu mir -
mit seinem Strategiepapier den richtigen Zeitpunkt für die Initiierung einer solchen Debatte bei den Grünen
abgewartet."
Dezember 1995: Ein Antrag, der Militäreinsätze als "letztes Mittel zur Verhinderung eines drohenden
Völkermordes" befürwortet, erhält auf dem Bremer Parteitag 37% der Stimmen. Mit 63% wird ein Antrag
verabschiedet, der Militäreinsätze ausschließt. Nur 4 Tage später stimmen 22 grüne Abgeordnete für und
ebenfalls 22 gegen den Bundeswehreinsatz in Bosnien.
März 1998: Die Bundesdelegiertenkonferenz in Magdeburg verabschiedet das Programm für die Bundestagswahl, in dem es
heißt: "Bündnis 90/Die Grünen tragen militärische Friedenserzwingung und Kampfeinsätze nicht
mit." "Bündnis 90/Die Grünen akzeptierten nicht, daß die NATO ihre Rolle zu Lasten der UNO und der
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ausweitet, um ihre eigene militärische Dominanz
durchzusetzen." "Bündnis 90/Die Grünen lehnen die Umstrukturierung der Bundeswehr zu einer internationalen
Interventionsarmee durch den Aufbau von Krisenreaktionskräften und Offensivwaffen wie den Eurofighter ab. Die
Krisenreaktionskräfte und insbesondere das "Kommando Spezialkräfte" sind aufzulösen."
Oktober 1998: Nach dem rot-grünen Wahlsieg beschließt der bereits abgewählte Bundestag noch die "deutsche
Beteiligung an den von der NATO geplanten begrenzten und in Phasen durchzuführenden Luftoperationen zur Abwendung einer
humanitären Katastrophe im Kosovo-Konflikt". 29 Grüne stimmen mit Ja, 9 mit Nein.
März 1999: Aufgrund dieses Beschlusses beteiligt sich die Bundeswehr mit ihren Krisenreaktionskräften an den Luftschlägen
der NATO gegen Jugoslawien und damit erstmals an einem völkerrechtwidrigen Angriffskrieg.
Martin Jung