Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.11 vom 27.05.1999, Seite 6

Chronologie

Die Grünen ziehen in den Krieg

In den 80er Jahren herrscht quer durch alle im Bundestag vertretenen Parteien ein Konsens, wonach das Grundgesetz sowie die deutsche Geschichte Out-of-Area-Einsätze der Bundeswehr verbieten. Darüber hinaus fordern die Grünen die Auflösung der NATO und langfristig die Abschaffung der Bundeswehr (so z. B. im Bundestagswahlprogramm, verabschiedet im März 1990 in Hagen).
August 1990: Nachdem der Irak in Kuwait eingefallen ist, fordert Udo Knapp, ein Mitarbeiter der grünen Bundestagsfraktion, ein militärisches Engagement Deutschlands im Golfkrieg.
Juli 1992: Daniel Cohn-Bendit fordert, dem Krieg in Bosnien müsse mit militärischer Gewalt Einhalt geboten werden. In den darauffolgenden Monaten leistet die grünnahe Tageszeitung mit ihrem Bosnien-Korrespondenten E.Rathfelder Cohn-Bendit publizistische Schützenhilfe.
Juni 1993: In einem Beschluß des Länderrats heißt es, "der Einsatz von Zwang und Gewalt" dürfe angesichts des Krieges in Bosnien nicht "von vornherein völlig ausgeschlossen werden".
Oktober 1993: Nach heftiger Kritik der Basis an diesem Beschluß findet in Bonn ein Sonderparteitag statt. Cohn-Bendit wiederholt seine Forderung nach einer Militärintervention zugunsten der bosnischen Moslems. Die Delegierten stimmen zu 90% für den u.a. von Ludger Volmer und Angelika Beer begründeten Antrag, der Militärinterventionen ablehnt.
Dezember 1994: In einem Interview sagt Joschka Fischer: "Für die Zukunft sehe ich die erhebliche Gefahr, daß die Bundesregierung, Koalition und Generalität nach den Gesetzen der Salamitaktik Anlässe suchen oder Anlässe schaffen werden, um die Barrieren abzuräumen, die es gegenüber der Außenpolitik des vereinigten Deutschland noch gibt. Als Vehikel dienen dabei die Menschenrechts- und die Humanitätsfragen."
Juni 1995: 4 grüne Abgeordnete (Beck, Lippelt, Poppe, Schoppe) stimmen für, 41 gegen die Entsendung deutscher Soldaten und Tornados zur Unterstützung der Schnellen Eingreiftruppe in Bosnien.
Juli 1995: Joschka Fischer präsentiert ein Grundsatzpapier, in dem er eine militärische Sicherung der Schutzzonen fordert. Zwar sei die Beschlußlage der Partei vom Oktober 1993 eindeutig, doch habe sich nun die Lage in Bosnien "massiv zugespitzt und dramatisch verändert". Cohn-Bendit sieht Fischer "auf dem richtigen Weg … Fischer hat allerdings - im Gegensatz zu mir - mit seinem Strategiepapier den richtigen Zeitpunkt für die Initiierung einer solchen Debatte bei den Grünen abgewartet."
Dezember 1995: Ein Antrag, der Militäreinsätze als "letztes Mittel zur Verhinderung eines drohenden Völkermordes" befürwortet, erhält auf dem Bremer Parteitag 37% der Stimmen. Mit 63% wird ein Antrag verabschiedet, der Militäreinsätze ausschließt. Nur 4 Tage später stimmen 22 grüne Abgeordnete für und ebenfalls 22 gegen den Bundeswehreinsatz in Bosnien.
März 1998: Die Bundesdelegiertenkonferenz in Magdeburg verabschiedet das Programm für die Bundestagswahl, in dem es heißt: "Bündnis 90/Die Grünen tragen militärische Friedenserzwingung und Kampfeinsätze nicht mit." "Bündnis 90/Die Grünen akzeptierten nicht, daß die NATO ihre Rolle zu Lasten der UNO und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ausweitet, um ihre eigene militärische Dominanz durchzusetzen." "Bündnis 90/Die Grünen lehnen die Umstrukturierung der Bundeswehr zu einer internationalen Interventionsarmee durch den Aufbau von Krisenreaktionskräften und Offensivwaffen wie den Eurofighter ab. Die Krisenreaktionskräfte und insbesondere das "Kommando Spezialkräfte" sind aufzulösen."
Oktober 1998: Nach dem rot-grünen Wahlsieg beschließt der bereits abgewählte Bundestag noch die "deutsche Beteiligung an den von der NATO geplanten begrenzten und in Phasen durchzuführenden Luftoperationen zur Abwendung einer humanitären Katastrophe im Kosovo-Konflikt". 29 Grüne stimmen mit Ja, 9 mit Nein.
März 1999: Aufgrund dieses Beschlusses beteiligt sich die Bundeswehr mit ihren Krisenreaktionskräften an den Luftschlägen der NATO gegen Jugoslawien und damit erstmals an einem völkerrechtwidrigen Angriffskrieg.
Martin Jung


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