Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.11 vom 27.05.1999, Seite

Der Konflikt hinter dem Konflikt

Amerikanisch-chinesische Beziehungen

In Chinas Straßen sind die Proteste gegen das Bombardement der chinesischen Botschaft in Belgrad wieder abgeebt. Nach dem es einige Tage würende Demonstrationen vor den Botschaften verschiedener NATO-Staaten und auch Albaniens gegeben hatte, haben die Ermahnungen der Regierung schließlich gefruchtet, die "soziale Ruhe" zu bewahren.
Die Behörden, die die Protestierenden zunächst frei gewären ließen und auch nicht bei Gewalttätigkeiten eingriffen, haben nach dem der erste Zorn verraucht war nach und nach die Proteste in Bahnen gelenkt und schließlich mit sanften Druck beendet. Gleichzeitig gab es Berichte von Menschenrechtsgruppen aus Hongkong, nach denen bekannte Oppositionelle nachdrücklich davor gewarnt wurden, sich an den Demonstrationen zu beteiligen.
Auf seiten der Regierung haben die Bomben unterdessen das Ende von 20 Jahren introvertierter Außenpolitik eingeläutet. Ein Schritt der angesichts enormen Wirtschaftwachstums und beginnenden Kapitalexports sowieso auf der Tagesordnung stand. "Das Ständige Komitee des Politbüros ist zu dem Schluß gekommen, daß, wenn man die US-geführte NATO in Europa gewähren läßt, China das nächste Ziel sein wird", zitierten Hongkonger Zeitungen Quellen aus der Hauptstadt.
Schon am Tag darauf machten sich chinesische Diplomaten auf den Weg in jene NATO-Staaten, die der Aggression eher skeptisch gegenüber stehen. Im Gepäck hatten die Gesandten auch das Versprechen, daß diejenigen, die helfen den Krieg zu beenden, am meisten von einer Öffnung des chinesischen Markts profitieren werden.
China steht nach wie vor auf dem Standpunkt, daß vor jeder politischen Lösung des Kosovo-Konflikts die Bombenangriffe der NATO aufhören müssen. Als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat hat es die Möglichkeit, Entscheidungen durch sein Veto zu blockieren.
Auffällig ist, daß seitens der NATO keine, oder zumindest keine öffentlich wahrnehmbaren, Schritte unternommen werden, China in einen Konsens einzubinden. Sollten jene 40% Chinesen recht haben, die in einer Pekinger Meinugsumfrage die Ansicht vertraten, die NATO habe mit dem Anschlag die Reaktionen Pekings testen wollen? Tatsache ist, daß die US-amerikanische Militärstrategie China seit einigen Jahren als potentiellen Gegner behandelt, der bei Zeiten klein gehalten werden muß.
Erst dieser Tage verabschiedete das japanische Oberhaus auf Drängen der USA Verteidigungsrichtlinien, die eine weitgehende Zusammenarbeit mit den US-Streitkräften vorsehen. Im Falle einer regionalen Krise soll Japan logistische und technische Unterstützung gewärleisten. Derzeit sind 47000 amerikanische Truppen in Japan stationiert.
Von China gab es heftige Proteste gegen diese Militärabkommen, so daß sich Premier Obuchi genötigt sah, zu erklären, daß sich die japanisch-amerikanische Kooperation nicht gegen Nachbarländer richte. Das sehen allerdings auch japanische Friedensgruppen und die starke Kommunistische Partei anders. Am Tag der Oberhausdebatte demonstrierten mehrere hundert Antimilitaristen in Tokyo.
Weitere Fakten sprechen dafür, daß sich die amerikanische Militär-Politik in der Region vor allem gegen China richtet. So bastelt man in Washington an Raketenabwehrsystemen bastelt, die schon in einigen Jahren die chinesischen Kurz- und Mittelstreckenraketen neutralisieren könnten.
Diese Abwehrsysteme, die gegen bestehende Abkommen zur Rüstungsbeschränkung verstießen, sollen nach dem Willen des Pentagons in Südkorea, Japan und Taiwan stationiert werden. Letzteres wäre ein besonderer Affront gegen die Volksrepublik, für die Taiwan eine abtrünnige Provinz und damit Teil des chinesischen Territoriums ist.
Wolfgang Pomrehn


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