Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.12 vom 10.06.1999, Seite 2

Mbeki, der Manager:

Demokrat oder Autokrat

Kolumne: Jakob Moneta

Die Geschäftswelt Südafrikas lobt Mbeki, den Nachfolger Nelson Mandelas. Gilt er doch als Verantwortlicher für GEAR, das Programm, das Wachstum, Beschäftigung und Umverteilung versprach. Eine Million Wohnungen sollten in den ersten fünf Jahren von Mandelas Südafrika gebaut werden. 500.000 wurden errichtet, 250.000 sind begonnen worden. Jeden Monat werden 15.000 fertiggestellt. Der Afrikanische Nationalkongreß ANC rühmt sich, 3 Millionen Menschen mit sauberem Wasser versorgt zu haben. 20% der 42,2 Millionen Einwohner haben noch keines. Über Elektrizität verfügen nun 63% der Haushalte, 2 Millionen mehr als zuvor. 35% haben Telefon, ein Zuwachs von 25%. Die Regierung hat 700 Kliniken modernisiert oder neu gebaut, um schwangere Frauen und Kinder unter sechs Jahren kostenlos medizinisch zu versorgen.
Allerdings würde erst ein Wirtschaftswachstum von 8,5% die Arbeitslosigkeit in zehn Jahren beseitigen. Davon ist das Land weit entfernt. Die "Rassentrennung" existiert mit 4% arbeitslosen Weißen und 42% Schwarzen wie zuvor. Statt der einen Million Arbeitsplätze, die das Regierungsprogramm zu schaffen versprach, sind durch den neoliberalen Kurs der Anpassung an die Weltmarktkonkurrenz 500.000 Arbeitsplätze durch Rationalisierungsmaßnahmen verloren gegangen. Gleichzeitig ist die Zahl der Jugendlichen, die auf den Arbeitsmarkt drängen, um 3 Millionen gestiegen.
Auch mit der Umverteilung hat es offensichtlich nicht geklappt. Das Agrarreformprogramm der Regierung versprach 30% der landwirtschaftlichen Fläche bis zum Jahre 1999 an 25,6 Millionen landlose schwarze Menschen zu verteilen. Es wurden jedoch ganze 0,6% landwirtschaftlichen Bodens seit 1994 an rund 400.000 Menschen verteilt. Jetzt plötzlich erklären die zuständigen Behörden das 30%-Ziel sei ohnehin nicht zu erreichen gewesen und ihnen in "unrealistischer" Weise von der Politik aufgezwungen worden.
Professor Neville Alexander, Direktor von PREASE (Projekt for the Study of Alternative Education in South Africa) hat mit seinem Vortrag über die "Aussichten für eine nichtrassistische Zukunft in Südafrika" einen Stein in die seichten Gewässer offizieller Lobhudelei geworfen: "Es mag unvernünftig, unrealistisch scheinen, zu verlangen, daß nach 300 Jahren einer Geschichte von Vertreibung, Enteignung, rassistischer Ausbeutung und Akkumulation all dies revidiert werden soll. Wenn dies aber nicht geschieht, wird rassistische Ungleichheit, die durch die Besonderheit der Geschichte in Südafrika sich dort verankert hat, sich stets aufs Neue wiederholen. Ehrlicherweise muß man sagen, daß die Logik eines sich globalisierenden kapitalistischen Systems, das verspricht die Lebensverhältnisse städtischer und ländlicher Arnut zu verändern, nur Sirenenklänge sind, die zu Katastrophe und Verwüstung führen. Statt dessen sollten wir dem Volk Südafrikas sagen, daß wir jede nur mögliche Reformmaßnahme so rasch wie möglich durchführen werden, daß wir aber letzten Endes uns denen anschließen müssen, die eine völlig neue Weltordnung errichten wollen."
Gründliche wirtschaftliche Umwandlung sei zwar nötig, reiche jedoch nicht aus, eine nichtrassistische Zukunft abzusichern: dies müsse auch auf der politischen Ebene geschehen, sagte Neville Alexander. Eine ethnische Gefahr sieht Alexander darin, daß demokratische Offenheit politischen und ideologischen Raum für Scharlatanerien schafft, Wahlen durch Ausspielen der ethnischen Karte zu mißbrauchen. So entstünden "englische", "farbige", "malayische", "moslemische", "xhosa", "jüdische" und "indische" Identitäten, die an die Stelle sozialer Klassifizierung treten und das Entstehen einer einheitlichen Nation verhindern.
"Mbeki hat klar gemacht", schreibt die Times, "daß er alles tun werde, um den ‚Zwei-Nationen‘-Charakter Südafrikas - reiche Weiße/arme Schwarze - zu ändern. Um dies zu tun, die Wirtschaft zu führen, die Autorität der Regierung abzusichern, Verbrechen und Korruption entgegenzuwirken, wird Mbeki einige machiavellistische Züge brauchen, die manche seiner Kritiker an ihm schon bemerkten. Die Magie von Mandela ist vorbei. Bereiten wir uns vor auf Mbekis Management." Noch nicht entschieden ist die Frage: "Demokrat oder Autokrat?"


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