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Die Geschäftswelt Südafrikas lobt Mbeki, den Nachfolger Nelson Mandelas. Gilt er doch als
Verantwortlicher für GEAR, das Programm, das Wachstum, Beschäftigung und Umverteilung versprach. Eine Million Wohnungen
sollten in den ersten fünf Jahren von Mandelas Südafrika gebaut werden. 500.000 wurden errichtet, 250.000 sind begonnen
worden. Jeden Monat werden 15.000 fertiggestellt. Der Afrikanische Nationalkongreß ANC rühmt sich, 3 Millionen Menschen mit
sauberem Wasser versorgt zu haben. 20% der 42,2 Millionen Einwohner haben noch keines. Über Elektrizität verfügen nun
63% der Haushalte, 2 Millionen mehr als zuvor. 35% haben Telefon, ein Zuwachs von 25%. Die Regierung hat 700 Kliniken modernisiert oder
neu gebaut, um schwangere Frauen und Kinder unter sechs Jahren kostenlos medizinisch zu versorgen.
Allerdings würde erst ein Wirtschaftswachstum von 8,5% die Arbeitslosigkeit in zehn Jahren beseitigen. Davon ist das Land weit
entfernt. Die "Rassentrennung" existiert mit 4% arbeitslosen Weißen und 42% Schwarzen wie zuvor. Statt der einen Million
Arbeitsplätze, die das Regierungsprogramm zu schaffen versprach, sind durch den neoliberalen Kurs der Anpassung an die
Weltmarktkonkurrenz 500.000 Arbeitsplätze durch Rationalisierungsmaßnahmen verloren gegangen. Gleichzeitig ist die Zahl der
Jugendlichen, die auf den Arbeitsmarkt drängen, um 3 Millionen gestiegen.
Auch mit der Umverteilung hat es offensichtlich nicht geklappt. Das Agrarreformprogramm der Regierung versprach 30% der
landwirtschaftlichen Fläche bis zum Jahre 1999 an 25,6 Millionen landlose schwarze Menschen zu verteilen. Es wurden jedoch ganze
0,6% landwirtschaftlichen Bodens seit 1994 an rund 400.000 Menschen verteilt. Jetzt plötzlich erklären die zuständigen
Behörden das 30%-Ziel sei ohnehin nicht zu erreichen gewesen und ihnen in "unrealistischer" Weise von der Politik
aufgezwungen worden.
Professor Neville Alexander, Direktor von PREASE (Projekt for the Study of Alternative Education in South Africa) hat mit seinem Vortrag
über die "Aussichten für eine nichtrassistische Zukunft in Südafrika" einen Stein in die seichten Gewässer
offizieller Lobhudelei geworfen: "Es mag unvernünftig, unrealistisch scheinen, zu verlangen, daß nach 300 Jahren einer
Geschichte von Vertreibung, Enteignung, rassistischer Ausbeutung und Akkumulation all dies revidiert werden soll. Wenn dies aber nicht
geschieht, wird rassistische Ungleichheit, die durch die Besonderheit der Geschichte in Südafrika sich dort verankert hat, sich stets aufs
Neue wiederholen. Ehrlicherweise muß man sagen, daß die Logik eines sich globalisierenden kapitalistischen Systems, das
verspricht die Lebensverhältnisse städtischer und ländlicher Arnut zu verändern, nur Sirenenklänge sind, die zu
Katastrophe und Verwüstung führen. Statt dessen sollten wir dem Volk Südafrikas sagen, daß wir jede nur
mögliche Reformmaßnahme so rasch wie möglich durchführen werden, daß wir aber letzten Endes uns denen
anschließen müssen, die eine völlig neue Weltordnung errichten wollen."
Gründliche wirtschaftliche Umwandlung sei zwar nötig, reiche jedoch nicht aus, eine nichtrassistische Zukunft abzusichern: dies
müsse auch auf der politischen Ebene geschehen, sagte Neville Alexander. Eine ethnische Gefahr sieht Alexander darin, daß
demokratische Offenheit politischen und ideologischen Raum für Scharlatanerien schafft, Wahlen durch Ausspielen der ethnischen Karte
zu mißbrauchen. So entstünden "englische", "farbige", "malayische", "moslemische",
"xhosa", "jüdische" und "indische" Identitäten, die an die Stelle sozialer Klassifizierung treten
und das Entstehen einer einheitlichen Nation verhindern.
"Mbeki hat klar gemacht", schreibt die Times, "daß er alles tun werde, um den ‚Zwei-Nationen-Charakter
Südafrikas - reiche Weiße/arme Schwarze - zu ändern. Um dies zu tun, die Wirtschaft zu führen, die Autorität der
Regierung abzusichern, Verbrechen und Korruption entgegenzuwirken, wird Mbeki einige machiavellistische Züge brauchen, die manche
seiner Kritiker an ihm schon bemerkten. Die Magie von Mandela ist vorbei. Bereiten wir uns vor auf Mbekis Management." Noch nicht
entschieden ist die Frage: "Demokrat oder Autokrat?"