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Es war ein kleines babylonisches Häuflein, der sich da in der Woch vor dem EU-Gipfel auf Kölns
Alten Markt unter roten Fahnen zusammenfand. An die 300 Bau- und Holzarbeiter aus sieben Ländern Nord- und Westeuropas waren
gekommen, um einigen Reden zu lauschen. Das Rot der Fahnen hatte allerdings eher mit sinnentleerter Tradition als mit sonst irgendwas zu tun.
Man hatte sich versammelt, um "in den Dialog mit der Politik" zu treten. So beschrieb zumindest Michael Knocher von der
deutschen Baugewerkschaft IG BAU den Sinn der Aktion. Rechtzeitig zum Treffen der EU-Chefs wollte die Europäische
Föderation der Bau- und Holzarbeiter (EFBH) ihre Stimme in die Diskussion um den sogenannten Beschäftigungspakt einbringen.
Nach ihrer Kundgebung zogen sich die Gewerkschafter, darunter eine besonders starke Gruppe der französischen CFDT, in einen
Konferenzsaal zurück, um ihre Vorstellungen zu beraten. Als Gäste waren u.a. auch Elke Ferner, Staatssekretärin im
Bundesbauministerium, und Frieder Otto Wolf, der für die Grünen im EU-Parlament sitzt, geladen.
Die Schaffung von Arbeitsplätzen stand bei EU-weit 18 Millionen offiziell registrierten Arbeitslosen naturgemäß im
Mittelpunkt der Debatte. Deregulierung, Lohnsenkungen und Kürzungen in den öffentlichen Haushalten habe in der Vergangenheit
nicht die erhofften neuen Stellen geschaffen, heißt es in einem vorab verteilten Positionspapier der EFBH. Eine Umorientierung zu einer
Nachfragepolitik sei daher nötig. Diesbezüglich machen sich einige große Hoffnungen auf die neuen sozialdemokratischen
Regierungen: "Die deutsche Präsidentschaft hat mit dem Beschäftigungspakt", so Rolf Steinmann vom Bundesvorstand
der IG BAU (Bauen-Agrar-Umwelt), "endlich die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit auf europäische Ebene in den
Vordergrund gestellt." Unerwähnt ließ er allerdings, daß im Rahmen dieses "Beschäftigungspaktes"
die Ausdehnung des Niedriglohnsektors angegangen werden soll.
Statt dessen gab es wortreiche Forderungen nach Investitionsprogrammen. EFBH-Präsident Ove Bengstborg rief z.B. nach
verstärkten Aktivitäten im Bereich Gebäudesanierung. Mit Wärmedämmung könnten, so der Schwede,
sinnvolle Arbeitsplätze geschaffen und gleichzeitig ein erheblicher Beitrag zum Energiesparen geleistet werden. Auch Steinmann trug
diese Überlegung vor und forderte eine Verschärfung der deutschen Wärmeschutzverordnung. Die Gewerkschafter
können sich dabei auf zahlreiche Studien stützen, die die hohen Einsparpotentiale bei der Heizenergie bestätigen Auch
ansonsten war viel die Rede von ökologisch nützlichen Investitionen. Im unausgesprochenen Widerspruch dazu wurde jedoch auch
das EU-Programm der Transeuropäischen Netze begrüßt. Dieses TEN-Programm, gegen das Umweltschützer in
verschiedenen Ländern sturmlaufen, sieht den Bau von neuen Fernverbindungen, darunter auch manche Autobahn, vor.
Einen besonderen Akzent gab Steinmann der Versammlungen mit seinen Ausführungen zur EU-Osterweiterung. Das Bauernsterben in
Polen dürfe nicht dazu führen, daß diese Menschen sich auf dem Arbeitsmarkt der EU-Länder zu Niedrigpreisen
anbieten. Er forderte daher eine möglichst lange "Begrenzung der Dienstleistungsfreiheit", soll heißen
Beschränkung der Freizügigkeit für polnische Arbeiter. Auf die Frage, ob er denn auch gegen den freien Verkehr z.B.
deutscher Agrarprodukte sei, der mit für das Bauernlegen verantwortlich ist, antwortete er nur, er habe von Agrarpolitik keine Ahnung.
Für einen leitenden Funktionär einer Gewerkschaft, die auch Landarbeiter vertritt, immerhin eine bemerkenswerte
Aussage.
Wolfgang Pomrehn