Sozialistische Zeitung |
Während der Wandel des globalen Klimas - hierzulande kaum beachtet - im vollen Gange ist, gehen die
internationalen Verhandlungen über Klimaschutzmaßnahmen nur im Schneckentempo voran. Anfang Juni gab es in Bonn, Sitz des
Sekretariats der Klimarahmenkonvention, mal wieder eine entsprechende internationale Konferenz. Aus rund 150 Staaten waren
Regierungsvertreter gekommen, um sich knapp zwei Wochen lang über technische Einzelheiten der Verträge zu streiten. Die
Öffentlichkeit nahm indes kaum Notiz von ihnen, was sicherlich auch an dem Detailgestrüpp liegt, das sich, für Laien kaum
durchschaubar, um die internationalen Abkommen zum Schutz des Klimas rangt.
Seit gut 15 Jahren ist inzwischen bekannt, daß die industriellen Aktivitäten des Menschen und die Entwaldung des Planeten das
Weltklima bedrohen. Gase wie Kohlendioxid (CO2), das bei der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas entsteht, und Methan, das aus
Mülldeponien, der Massentierhaltung und Reisfeldern entweicht, wirken in der Atmosphäre wie die Scheiben eines
Gewächshauses. Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben in den vergangenen Jahren demonstriert, daß sie die globale
Mitteltemperatur auf der Erdoberfläche in den nächsten 50 Jahren um bis zu 4 Grad ansteigen lassen werden, sollte der
Ausstoß dieser Treibhausgase nicht drastisch reduziert werden.
Die Fachleute des UN-Wissenschaftlergremiums IPCC gehen davon aus, daß die Industriestaaten ihren Anteil an diesen Gasen um 80%
verringern müßten. Aber selbst dann wäre erst erreicht, daß das jetzige Niveau gehalten würde. Alle
Prozentangaben in den Aussagen der Wissenschaftler und den internationalen Verhandlungen beziehen sich auf das Referenzjahr
1990.
Auf der Tagesordnung des Bonner Treffens stand die Frage, wie Mechanismen ausgestaltet werden, auf deren Einführung man sich bereits
im November 1997 in Japan im sogenannten Kyoto-Protokoll grundsätzlich geeinigt hatte. Der Hintergrund dieser komplizierten
Diskussionen bildet das Bestreben einer Reihe von Industrienationen, die ihre Klimaschutzverpflichtung nicht im eigenen Land, sondern in
Kooperation mit Entwicklungsländern bzw. osteuropäischen Staaten erfüllen wollen. Deshalb hatte man in Kyoto gegen teils
erheblichen Widerstand der meisten Entwicklungsländer durchgesetzt, daß künftig mit Verschmutzungsrechten Handel
betrieben werden darf. Auch die Errichtung energiesparender Anlagen in Entwicklungsländern wollen sich die reichen Staaten gerne auf
ihr Klimakonto gut schreiben lassen.
"Sauberer Entwicklungmechanismus" (Clean Developing Mechanism - CDM) wird letzteres in der Diplomatensprache genannt.
Besonders hiergegen gibt es von Ländern des Südens Vorbehalte, die allerdings seit Kyoto etwas abgeschmolzen sind. Seit Jahren
wird von dieser Seite der zögerliche Technologietransfer beklagt, der den armen Ländern den Zugang zu neuen, umweltschonenden
Anlagen erschwert. Mancher erhofft sich nun, daß diese Blockade über den CDM-Mechanismus aufgehoben werden könnte.
Andere sind da eher skeptisch.
Auch gegen den Emissionenhandel gibt es viele Vorbehalte. Zu dessen eifrigsten Befürwortern gehören die USA auf der einen und
Rußland und die Ukraine auf der anderen Seite. Letztere hatten in Kyoto zugestanden bekommen, daß sie ihre Emissionen
gegenüber 1990 im Gegensatz zu den meisten anderen Industriestaaten vorerst nicht zu vermindern brauchen. Da die beiden
osteuropäischen Länder aber seit Beginn der 90er Jahre einen rapiden Rückgang der Industrieproduktion verzeichnen, haben
sie jede Menge Verschmutzungsrechte zu verkaufen.
In den USA hofft man, mit dem Aufkauf dieser Rechte um einen Teil der Maßnahmen im eigenen Land herumzukommen. Ein lukratives
Geschäft, wie Umweltorganisationen anmerken, von dem das Klima nichts haben wird. Die EU hatte sich in dieser Farge bisher eher
ablehnend gezeigt und wollte noch vor einem Jahr den Verschmutzungshandel auf 30% der jeweiligen nationalen Verpflichtung begrenzt sehen.
Auf dem jüngsten Treffen zeichnete sich allerdings ab, daß die Gemeinschaft inzwischen bereit ist, einen Anteil von bis zu 65% zu
akzeptieren.
Weitere Streitpunkte waren in Bonn, wie bereits auf den vorhergehenden Konferenzen Fragen, ob sich Staaten Aufforstungsmaßnahmen
anrechnen lassen können und wie die sog. Bunkertreibstoffe behandelt werden. Das sind die im internationalen Verkehr verbrauchten
Kraftstoffe. Der überwiegende Anteil entfällt auf den Luftverkehr, der sich zunehmend zu einem der wichtigsten Klimakiller
auswächst, wie das IPCC in Bonn warnte.
Bisher ist diese Treibhausgasquelle nicht von den Verträgen abgedeckt, da man sich nicht einigen kann, wer für sie die
Verantwortung trägt. Die Anrechnung der Aufforstung macht insofern Probleme, als daß es bisher keine unumstrittenen
wissenschaftlichen Methoden gibt, ihre Effekte zu berechnen.
In all diesen Fragen gab es in Bonn wenig Annäherung. Die Konferenz erarbeitete lediglich einige Entwürfe, die den Dissenz klarer
herausstellen und damit zumindest für die nächste Verhandlungsrunde die Grundlagen besser abgesteckt haben. "Es wurde
gerade die minimale Arbeit geleistet, [um] den Verhandlungsprozeß in Gang zu halten", fassen amerikanische Beobachter vom
Climate Action Network das Ergebnis zusammen. Viel mehr war von dem Treffen auf Beamtenebene allerdings von vornherein nicht zu
erwarten gewesen.
Die nächste Vertragsstaatenkonferenz findet Ende Oktober bis Anfang November statt, aber den großen Wurf wird es, wenn
überhaupt, erst auf der übernächsten Regierungskonferenz Ende 2000 geben.
Wolfgang Pomrehn