Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.17 vom 19.08.1999, Seite 2

Bunt schillernder Liberalismus und vielsagendes Schweigen

von Hannes Kleber

Eines muss man Gregor Gysi lassen. Es ist ihm auch in diesem Jahr wieder gelungen das Sommerloch optimal auszufüllen. In Berlin döst alles in der sommerlichen Hitze, das Parlament ist im Urlaub, der Krieg vorbei, Journalisten langweilen sich. Die beste Zeit ein paar bunte Seifenblasen aufsteigen zu lassen: "Freigesetzte Arbeit kann nicht vollständig reinvestiert werden, aber sie darf auch nicht überflüssige, tote Zeit … werden", denn "die Permanenz der Modernisierung ist ein ambivalenter Vorgang". Nur leider sind "ihre Institutionen ... in diesem Jahrhundert oft genug als Instrument krassester Unterdrückung gestaltet worden". Was das ist? "Moderner Sozialismus", vorgestellt in zwölf Thesen. Früher nannte man es wohl eher Dadaismus, aber der ist out. Denn: "Wir müssen uns insgesamt politisch und intellektuell öffnen" (André Brie). Nur sollte man dabei aufpassen, dass nicht die Gehirnflüssigkeit ausläuft.
Aber wir wollen nicht ungerecht sein. Gysi hatte auch einiges Handfestes zu bieten. Allerdings riecht manches von dem, was uns der "PDS-Fraktionsführer" (O-Ton PDS-Pressedienst) da als "modernen Sozialismus" verkaufen will eher nach stinknormalem Liberalismus: Flexibilisierung der Arbeitszeiten etwa, oder ein zweites, privates Standbein der Altersversorgung. Auch dass die "plurale Verteilung von Eigentum" "Motor der ständigen innovativen Veränderung" ist, was wiederum modern, also gut ist, vermutet man eher im Parteiprogramm der FDP. Wie man damit enttäuschte linke Sozialdemokraten einsammeln kann, bleibt Gysis Geheimnis. Die könnten da doch gleich beim rosa-grünen Orginal bleiben.
Aber da soll die Reise sowieso hingehen. André Brie machte wie üblich für Gysi den Minenhund, indem er den Thesen eines seiner berüchtigten Interviews nachschob: "Die PDS alleine kann nichts bewirken. Sie ist darauf angewiesen, dass sie mit der SPD und auch den Grünen arbeitsfähig wird", ließ er die Berliner Morgenpost wissen.
Die Sache hat natürlich einen Haken: die so heftig Umworbenen haben sich gerade zu "Verantwortungsethikern" gemausert, d.h. sie haben sich in die Einsicht ergeben, dass der "Standort Deutschland" sich ggf. auch bewaffnet durchsetzen muss. In modernen Zeiten ist das ein absolutes Muss für eine Regierungspartei. Auch Gysi scheint das zu ahnen und verbirgt sich daher lieber hinter einigen allgemeinen Floskeln von internationaler Abrüstung und gerechter Weltwirtschaftsordnung, um nicht die deutsche Außen- und aggressive Freihandelspolitik konkret kritisieren zu müssen.
Fraglich bleibt allerdings, ob ihm diese Abstinenz gedankt werden wird. Wir dürfen also auf den nächsten Schritt gespannt bleiben.


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