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Am 6.August klagte der Referatsleiter für Europäische Tarifpolitik beim DGB-Bundesvorstand,
Joachim Kreimer-de Fries, vor dem Düsseldorfer Arbeitsgericht gegen seinen Arbeitgeber. Der Grund: Seine Kritik an den
Verhandlungsergebnissen der europäischen "Sozialpartner" zu befristeten Arbeitsverträgen hatte der
Geschäftsführende Bundesvorstand des DGB mit zwei Abmahnungen und der Einschränkung seines Arbeitsbereichs
quittiert.
Im Rahmen seiner Arbeitsaufgaben hatte Kreimer-de Fries am 26.Januar eine kritische Analyse des Ergebnisses an die tarifpolitischen
Abteilungen der deutschen Gewerkschaften übermittelt und sie darüber hinaus einigen Kollegen aus dem EGB-Arbeitsausschuss
des Europäischen Gewerkschaftsbunds (EGB) "Arbeitsbeziehungen" per E-Mail als "bislang persönliche
Stellungnahme" zur Verfügung gestellt.
Bereits Anfang Februar beschwerte sich daraufhin der EGB-Generalsekretär Emilio Gabaglio beim DGB-Vorsitzenden Dieter Schulte
über die Versendung der kritischen Analyse. Das konnte nichts daran ändern, dass sie entscheidend zur Meinungsbildung in den
Tarifabteilungen der deutschen Einzelgewerkschaften beitrug. Am 2.März sprachen sich die Tarifpolitiker auf einer Sitzung des DGB-
Bundesvorstands mehrheitlich für die Einschätzung von Kreimer-de Fries aus und lehnten den Abschluss der Vereinbarung
ab.
Auf europäischer Ebene fand die ablehnende Haltung jedoch keine Mehrheit, dort einigten sich EGB und Arbeitgeberverbände.
Das war der Startschuss für den DGB, seinen Sekretär abzumahnen und mit Aufgabenentzug zu strafen.
Bei den Verhandlungen zwischen EGB und Vertretern der Arbeitgeberverbände UNICE und CEEP ging es vor allem um das Prinzip der
"Nichtdiskriminierung" befristeter Arbeitsverhältnisse. Demnach sollten sich die Verhandlungspartner auf eine in Europa
verbindliche Regelung einigen, wonach "befristet Beschäftigte in Bezug auf ihre Arbeitsbedingungen nicht schlechter behandelt
werden dürfen als vergleichbare unbefristet Beschäftigte, außer wenn dies aus objektiven Gründen gerechtfertigt
ist."
Kreimer-de Fries kritisiert, dass die Vereinbarung in entscheidenden Punkten schwammig bleibt. So ist z.B. befristete Leiharbeit von den
Regelungen ausgenommen, auf nationaler Ebene sind zahlreiche Ausnahmen möglich, z.B. wenn bei einer längeren
Beschäftigung Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung entstehen. Zentrales Anliegen der Gewerkschaften war es
ursprünglich die Gesamtdauer der befristeten Anschlussverträge deutlich zu begrenzen. Nach dem aktuellen Stand können die
nationalen Regierungen jedoch die Gesamtdauer auf zehn oder zwanzig Jahre begrenzen oder sogar nur die aufeinanderfolgenden
Wiederholungen befristeter Beschäftigungen auf zehn- bis zwanzigmal "beschränken" - bei unbegrenzter Dauer des
einzelnen Anschlussvertrags.
Obwohl Kreimer-de Fries die Delegierten der Gewerkschaften auffordert auch Vereinbarungen unterhalb des deutschen
"Regelungsniveaus" zuzustimmen, "sofern sie überhaupt akzeptable EU-weite Mindestregelungen enthalten",
bewertet er solche, "deren inhaltliche Ausfüllung gänzlich den Mitgliedstaaten überlassen bleibt" als
schädlich für das "nationale Sozial- und Tarifsystem".
Kritische Stellungnahmen dieser Art sind beim DGB-Vorstand offensichtlich unerwünscht. Kreimer-de Fries hat gegen alle drei
Maßnahmen, die beiden Abmahnungen und Entzug seiner auf den EGB-Ausschuss und die EU-Verhandlungen bezogenen Aufgaben, beim
Düsseldorfer Arbeitsgericht Klage eingereicht.
Die Klage gegen eine der Abmahnungen wurde bereits am 1.Juli verhandelt. Die Kammervorsitzende erklärte die Vorwürfe als
arbeitsrechtlich nicht haltbar. Auch am 6.August zog die DGB-Arbeitgeberseite den Kürzeren. Nun steht noch die Verhandlung gegen den
Aufgabenentzug an. Richter Dr.Bommermann erklärte, dass bis zur Verhandlung am 3.10. noch Zeit für die Parteien sei, zu dieser
Frage eine Einigung zu suchen.
Schon vorher hatte der Vorgesetzte von Kreimer-de Fries, DGB Vorstandssekretär Wehner, den Vorstoß zu einer
Übereinkunft gemacht: Rücknahme der Abmahnungen, allerdings Beschränkung bei "EU-
Sozialpartnerverhandlungen". Den Hinweis des Richters griff der Rechtsanwalt der DGB-Geschäftsführung daraufhin gerne
auf und kündigte an, es könnte bei Nichteinigung auf einen Kompromiss eine erneute, dann formal richtige Abmahnung in der
gleichen Angelegenheit erfolgen. Nach Angaben der Prozessbeobachter des labournet reagierte Kreimer-de Fries auf diese Drohung
äußerst gelassen.
Gerhard Klas
Weitere Informationen: <http://www.labournet.de>.