Sozialistische Zeitung |
In der scheinbar ländlichen Idylle von Holly Springs, einem Provinzort im tiefsten Süden der USA, nimmt sich die alte Cookie
Mae Orcutt das Leben. Robert Altman präsentiert in Cookies Fortune jedoch einen Afroamerikaner, der des Mordes an ihr
beschuldigt und festgenommen wird. Obwohl Altman sich mit dieser Geschichte eines sehr ernsthaften Genres bedient, verzichtet er auf das
übliche Stilmittel eines "Rassendramas" und inszeniert die Geschichte als Komödie.
Cookie lebte in einer großen Villa, wo sie alle Andenken an ihren verstorbenen Mann Buck aufbewahrte. Nur ihr Neffe Willis, ein
Afroamerikaner, kümmert sich um sie. Er hält ihr Haus in Ordnung und putzt regelmäßig die umfangreiche
Revolversammlung des dahingeschiedenen Ehemanns, der als echter Texaner gleich mehrere peacemaker besaß. Nicht nur Willis, auch
Cookies Nichten Camille und Cora sowie deren Tochter Emma sind vom Drama um ihren Tod betroffen.
Die Ermittlungen gegen Willis führt der örtliche Sheriff eher widerwillig, denn niemand glaubt so richtig an Willis Schuld.
Des Sheriffs erster Gehilfe, der Texaner Lester, hat dafür eine einfache Erklärung: er war mit Willis angeln. Von Rassismus keine
Spur.
Unterdessen entwickelt sich im Sheriff-Office ein recht fröhliches Knastleben. Willis, Lester und Willis Anwalt spielen
zusammen Scrabble. Hinzu gesellt sich die 20-jährige Emma. Sie lässt sich aus Solidarität mit Willis wegen unbezahlter
Strafzettel gleich mit einsperren und beginnt eine Affäre mit dem jüngsten Gehilfen des Sheriffs.
Die überspannte und bigotte Camille inszeniert währendessen in einer Kirche Oscar Wildes Stück Salome, wo es um den
Kopf Johannes des Täufers geht. Damit versucht gleichzeitig ein Stück in der Realität zu inszenieren, das Willis den Kopf
kosten soll.
So wird nach und nach der ganze Ort in den Fall hineingezogen. Ein smarter Detektiv aus der Großstadt ermittelt Erstaunliches, das eher
verwirrt als aufklärt. Nur "der Experte" Eddie glaubt fest an Willis Schuld. Beweise sind ihm die Fingerabdrücke von
Willis, die in Cookies Haus gefunden wurden. Dabei weiß ganz Holly Springs, dass Willis dort ein- und ausging.
Altman ist ein Film gelungen, der die zahlreichen Charaktere vielschichtig und einfühlsam zeichnet und dessen Musik, der Blues, die
besondere Stimmung des Films auf gelungene Art unterstreicht. Der Humor ist angenehm gut dosiert.
Das Problem des Rassismus geht Altman auf eine sehr originelle Art und Weise an, indem er eine Familienbeziehung konstruiert, in der
"Schwarze" und "Weiße" miteinander verwandt sind. So führt er die Unterscheidung nach rassischen
Kriterien in seinem Film ad absurdum, denn prägend ist vor allem die gemeinsame Sozialisation.
Ein interessantes Stilmittel ist die Spiegelung der Filmhandlung in der Inszenierung von Wildes Salome in der Kirche. Camille verfängt
sich schließlich in den Fallstricken ihrer eigenen Inszenierung und gerät so unversehens in die Rolle Johannes des Täufers,
indem sie ihren eigenen Kopf unabsichtlich auf einem Silbertablett serviert. Ihre scheinbar naive Schwester Cora hat an Camilles
Verhängnis einen nicht unwesentlichen Anteil. Im Verlauf des Films warten nicht wenige Überraschungen auf die ZuschauerInnen,
bevor schließlich die bewährte Knastcombo Willis, Emma, Lester und der Anwalt wieder in Ruhe angeln können.
Andreas Bodden