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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.19 vom 16.09.1999, Seite 4

Zur Landtagswahl in Brandenburg

SPD auf Rechtskurs

Schon vor Monaten war erkennbar, dass die SPD in Brandenburg bei den Landtagswahlen Stimmen verlieren würde. Dass sie trotzdem erklärte, um die absolute Mehrheit kämpfen zu wollen, hatte sicher nicht nur wahltaktische Gründe. In der gesamten Landes-SPD hatten sich Selbstsicherheit, Arroganz und Überheblichkeit breitgemacht, die sie daran hinderten, die unverkennbaren Signale einer sich abzeichnenden Wahlniederlage zu erkennen und gegenzusteuern.
Genannt seien Beispiele aus dem Landkreis Barnim: Als erste Maßnahme nach der Kommunalwahl 1998 änderte die Koalition von SPD und CDU im Kreistag die Hauptsatzung in der Weise, dass ihr zusätzliche Mandate in den Ausschüssen zufielen. Seit Oktober 1998 ließ die Koalition alle Vorschläge der Opposition durchfallen. Zu über 2000 gesammelten Unterschriften eines Ortes gegen die Abfallgebührensatzung erklärte der Vorsitzende der SPD-Fraktion: "Was vom Bürger kommt, ist nicht repräsentativ."
Die Kreisverwaltung schaltete ein Denunziantentelefon gegen Sozialhilfeempfänger, das erst nach öffentlichem Druck vom Landrat zurückgenommen wurde. Einen von den Arbeitslosen geforderter Arbeitslosenbeirat lehnten der Kreistag wie auch die Stadtverordnetenversammlung Eberswalde ab (und das bei 20% Arbeitslosen!).
Vier Tage vor der Landtagswahl peitschte die SPD im Kreistag eine Vorlage zur Abfallentsorgung als Tischvorlage durch und ließ der Opposition keine Möglichkeit der Mitgestaltung. Gegen überzogene Nutzungsentgelte für Garagen-, Garten- und Erholungsgrundstücke (ein noch vom Einigungsvertrag belastetes Thema) bildete sich in der Stadt Eberswalde eine Bürgerinitiative, die von der SPD ignoriert wurde. Bei 4500 betroffenen Familien dürfte das die SPD viele Stimmen gekostet haben.
18 Prozentpunkte Stimmenverluste (von 53% auf 35%) waren die Quittung der WählerInnen für die SPD im Barnim. Bei den Erststimmen straften die Wähler die SPD-Kandidaten noch stärker ab.
Im Wahlkreis 15 (Eberswalde) verlor die SPD gegenüber der Landtagswahl 1994 sogar 21,27 Prozentpunkte! (von 57% auf 35,7%) Der SPD-Spitzenkandidat in diesem Wahlkreis und bisheriges Mitglied des Landtags, Peter Kikow (SPD), erzielte bei der Erststimme sogar nur 30,3%.
Jubel bei den Genossen der PDS. Ein riesiger Erfolg nach einem intensiven Wahlkampf. Zwei Direktmandate und 28,5% bei den Zweitstimmen (1994 20,2%) erhielt die PDS im Barnim. Aber auch die CDU hatte einen Zuwachs von 7 Prozentpunkten auf 24,8%. Im Land musste die SPD sechs Wahlkreise abgeben, vier davon an die PDS, zwei an die CDU.
Auch in Brandenburg sind die Landtagswahlen in erster Linie das Ergebnis der verfehlten Politik der neuen Bundesregierung. Die Brandenburger haben im vergangenen Herbst Kohl in der Erwartung abgewählt, dass die SPD gemäß ihrem Versprechen den Sozialabbau stoppen und eine Umverteilung von oben nach unten in Gang bringen würde (so äußerte sich auch Lafontaine auf dem Marktplatz von Eberswalde im September 1998). Dass nach einem Jahr hier noch kein Land in Sicht ist, löste Enttäuschung und Frust aus. Die WählerInnen konnten auch nicht erkennen, dass sich die SPD-Landesregierung gegenüber der Bundesregierung (z.B. beim Sparpaket) stark machen und eine sozialere Politik fordern würde. So war die Landtagswahl vor allem eine Protestwahl, deren Adressaten in erster Linie im Bund, aber auch im Land und in den Kommunen zu suchen sind.
Zur Protestwahl hatten auch NPD und DVU aufgerufen. Während die DVU mit 5,3% der Stimmen in den Landtag einzieht, erreichte sie in Eberswalde "nur" 3,7%. Ein "Bündnis gegen rechts" war in Eberswalde aufklärend tätig und hat unmittelbar in den Wahlkampf eingegriffen. Der Kreistag Barnim beschloss am 1.September einen Aufruf an die Bürger, nicht rechts zu wählen (allerdings ohne die Ursachen der Rechtsentwicklung aufzudecken).
Die SPD schmiedet nun an einer großen Koalition mit der CDU. Anzeichen dafür gab es mindestens seit der Kommunalwahl 1998. In allen Landkreisen, in denen die SPD damals keine absolute Mehrheit erzielte, ging sie Koalitionen mit der CDU ein. Wo in Einzelfällen auch einmal mit der PDS verhandelt wurde, pfiff Potsdam zurück. Und gegen die Opposition der PDS waren sich SPD und CDU immer einig. Ministerpräsident Stolpe brauchte die PDS wohl nur, um seine Verhandlungsposition gegenüber der CDU zu stärken.
Er ist im Übrigen ein Mann, der sich immer sehr moderat gibt, sich im Zweifelsfall aber stets für den Stärkeren entscheidet; die Mehrheit der SPD-Genossen ist für die Koalition mit der CDU. Dafür trennt er sich auch von seiner stärksten Stütze, der Arbeitsministerin Regine Hildebrandt, die nach der Wahl erklärte, mit den "Arschlöchern" (O-Ton) von der CDU nichts zu tun haben zu wollen. Damit ginge dann auch der "Lafontaine von Brandenburg", denn Frau Hildebrandt galt als die Verkörperung des sozialen Gewissens in der Brandenburger SPD. Das wird zwangsläufig auch zu innerparteilichem Streit in der SPD führen.
Die PDS wird wohl in Brandenburg nicht mehr für eine Koalition gefragt sein, denn der SPD-Landesparteitag wird das Verhandlungsergebnis absegnen. Die PDS-Basis hätte dieser Option gegenüber auch gemischte Gefühle gehabt, denn bei wenig landespolitischem Gestaltungsspielraum einerseits und den zu erwartenden Problemen aus der Bundespolitik andererseits hätte die PDS in einer Koalition Mitverantwortung für die vorprogrammierten Verschlechterungen übernommen - und bei der nächsten Wahl die Quittung dafür bekommen.
Albrecht Triller

- ist Kreistagsabgeordneter und Mitglied des Parteivorstands der PDS im Kreis Barnim.


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