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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.19 vom 16.09.1999, Seite 15

Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland

Das von dem britischen Historiker Allan Merson verfasste Buch Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland* erschien bereits 1985 in London und ein Jahr später in den USA. Für den deutschen Sprachraum fand sich lange Zeit kein Verlag, der eine Übersetzung herausbringen wollte. Das mag daran gelegen haben, dass in der alten BRD die Forschung über den Widerstand lange Zeit auf den 20.Juli 1944 und sein eher konservatives politisches Umfeld fixiert war. Dem kommunistischen Widerstand wurde im Zeichen des Kalten Krieges und der Totalitarimustheorie nur wenig Beachtung geschenkt.
In der DDR war demgegenüber überwiegend nur undifferenzierter Lobgesang auf den "heldenhaften" antifaschistischen Widerstand der KPD gefragt. Dafür ist Mersons Darstellung zu differenziert.
Der Verlag Pahl-Rugenstein Nachf. ist nun über den Schatten seines Vorgängerhauses gesprungen und hat das Buch in deutscher Sprache herausgebracht. Damit ist im deutschen Sprachraum eine Lücke geschlossen worden, denn seit 1985 wurde keine Überblicksdarstellung über den kommunistischen Widerstand von 1933 bis 1945 in deutscher Sprache publiziert. Es gibt nur einige Regionalstudien wie Detlev Peukerts Buch über den kommunistischen Widerstand in Rheinland und Westfalen.
Das Buch beginnt mit einer kurzen Darstellung der Entwicklung der KPD von 1918 bis 1933. Schon hier bietet der Autor eine differenzierte Darstellung, die der KPD als revolutionärer Partei sympathisierend gegenüber steht, ohne ihre Fehler und Mängel zu übersehen oder zu beschönigen. Diese Sichtweise behält Merson im ganzen Buch bei. Dabei hebt er zu Recht den Opfermut der kommunistischen WiderstandskämpferInnen und die Tatsache hervor, dass die Kommunistinnen und Kommunisten als erste und so geschlossen wie kaum ein anderes politisches Spektrum Widerstand leisteten.
Er übersieht aber auch nicht die Fehlentscheidungen, die von der Parteiführung in der Illegalität getroffen wurden. Darunter vor allem die sektiererische Abgrenzung gegen anderen Antifaschisten, die erst ab 1935 zögernd aufgegeben wurde. Dabei verschweigt er aber nicht, dass vor allem von sozialdemokratischer Seite eine auf strenge Abgrenzung zielende antikommunistische Politik betrieben wurde.
Der einzige ernsthafte Mangel des Buches ist das Fehlen des Versuchs, den Einfluss der von Stalin betriebenen sowjetischen Außenpolitik auf die Politik der Komintern und damit der KPD intensiver zu untersuchen. Das wird vor allem in dem Kapitel deutlich, in dem der "Hitler-Stalin-Pakt" von 1939 behandelt wird. Hier wärmt Merson die alte Mär auf, dass dieser Pakt quasi eine taktische Meisterleistung Stalins gewesen sei, der so einen gemeinsamen Überfall der Westmächte und Deutschlands auf die UdSSR verhindert hätte. Gewisse dunkle Vorgänge wie die Auslieferung deutscher Antifaschisten, die in der Sowjetunion im Exil lebten, an Deutschland, erwähnt Merson überhaupt nicht.
Trotz dieses Mangels ist seine Darstellung eine brauchbare Einführung in die Geschichte des kommunistischen Widerstands. Die Darstellung ist überwiegend differenziert und anschaulich. Letzteres wird durch das Einflechten von lokalen Ereignissen, vor allem aus dem niederrheinischen Bezirk, erreicht, was dem Leser eine leise Ahnung davon gibt, was es konkret bedeutete, unter den Nazis im Untergrund zu leben.
Die Aufarbeitung der Frage, inwiefern der Stalinismus den antifaschistischen Widerstand beeinträchtigt, muss noch geleistet werden. Alle berechtigte Kritik an stalinistischen Fehlern und Verbrechen sollte aber niemals dazu verleiten, die persönliche Integrität und den Opfermut der KPD-Mitglieder anzuzweifeln, die der Nazi-Diktatur widerstanden: "…schon in Anbetracht der großen Opfer, die sie gebracht haben, sind und bleiben die Kommunisten die Helden des deutschen Widerstands" (Arno Lustiger).
Andreas Bodden

*Allan Merson, Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland, Bonn (Pahl-Rugenstein) 1999.


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