Sozialistische Zeitung |
Lange bevor Tony Blair, gestützt auf die Vorarbeiten der Eisernen Lady, New Labour zum politischen
Fanal des Neoliberalismus in Großbritannien machte, gefiel sich Old Labour in der Rolle als "treue Opposition ihrer
Majestät". In Sachsen gibt es "König Kurt" nur an den Stammtischen, obwohl seine Regentschaft -
gegenüber dem Parlament wie auch gegenüber der eigenen Partei - absolutistischer ist als die der Queen. Dennoch hat er
Zustimmung bis tief in die gegnerischen Parteien. Selbst die PDS, die bei der letzten Landtagswahl der SPD in ihrem historischen Stammland
weitaus mehr Stimmen abnahm als in anderen Bundesländern, verfügt über eine Wählerschaft, die zu 64%
"König Kurt" gewählt hätte, wenn er als Ministerpräsident direkt zur Wahl gestanden hätte. Vor
diesem Hintergrund bekommt das der SPD abgerungene Image: "Wir sind die Partei der sozialen Gerechtigkeit" einen besonderen
Geschmack. Offenkundig fühlt sich ein erheblicher Teil der PDS-WählerInnen in Biedenkopfs Sachsen wohl - es müsste nur
ein bisschen sozial gerechter zugehen und man will auch nicht ständig von der CDU ausgegrenzt werden.
Mehr Gleichheit, weniger Erwerbslose, mehr Chancen für Junge und Ältere: da gibt es tausend Benachteiligungen und
Diskriminierungen, zu deren Anwalt sich die PDS erfolgreich macht, und was ihr die Wählerschaft honoriert. Aber soll auch die
große Richtung geändert werden? Kann man Biedenkopf fundamental in seiner Industriepolitik, dem Wiederausbau Sachsens als
Knotenpunkt von Handel und Kultur, der Behauptung sächsischer Landesinteressen gegenüber Berlin und Brüssel
widersprechen? Kann man dem Siegeszug der privaten Investoren wirklich eine Systemalternative entgegenhalten? Oder ist es nicht angebracht,
sich in den (fremden) Erfolgen einzurichten und kleine Korrekturen an der großen Richtung anzubringen? Um diese Frage ernsthaft zu
beantworten, müsste die PDS sie nicht an ihre WählerInnen richten, sondern an die NichtwählerInnen, die auch in Sachsen
fast 40% der Wahlberechtigten ausmachten. In der Stunde des Erfolgs sind solche Molltöne aber nicht gefragt.
Das Ziel einer loyalen Opposition ist die Regierungsbeteiligung; der Weg dahin ist steinig, aber das Fuhrwerk ist komfortabel geworden. Zur
Bildung einer gesamtdeutschen, systemoppositionellen, sozialistischen Partei führt der Weg nicht mehr.