Sozialistische Zeitung |
Fast ist es so, als hätte sich die Welt auf den Kopf gestellt. Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-
Zeul, zuständig für Entwicklungspolitik, frohlockte, als sie Ende September von einem Treffen mit Vertretern des Internationalen
Währungsfonds (IWF) und der Weltbank aus Washington in die Heimat zurückkehrte. Offensichtlich hatte sie das Logo, mit dem die
Weltbank in diesem Jahr für sich wirbt, schwer beeindruckt. "Unser Traum ist eine Welt ohne Armut", stand dort in fetten
Lettern.
Was einige als Zwist zwischen Weltbank und IWF betrachten, ist für die Ministerin schon eine Wende in der Entwicklungspolitik. Die
Weltbank fordert eine Entwicklungspolitik, die sich nicht nur an makroökonomischen Daten orientiert, sondern gezielte Programme
für die Bekämpfung der Armut bereithält und stößt damit auf Widerspruch beim IWF. Das heißt nicht, dass
sie dessen Strukturanpassungsprogramme für die Länder der Dritten Welt ablehnt. "Wachstum allein genügt
nicht", lautet das einfache Credo des Weltbank-Chefökonomen Joseph Stieglitz. Wie diese Entwicklungsprogramme im Rahmen der
IWF-Sparauflagen umzusetzen seien, bleibt sein Geheimnis.
Dasselbe gilt für den bereits im Juni auf dem Treffen der G7 in Köln ausgehandelten Schuldenerlass von 70 Milliarden Dollar.
Während die 41 ärmsten und hochverschuldeten Länder, die dafür potenziell in Frage kommen, voller Ungeduld
ausharren, überlegen sich die Finanz- und Entwicklungsminister nun in Washington, wie sie das Geld aufbringen sollen. Die Weltbank
sieht sich schon genug geschröpft und will nicht sämtliche Reserven aufbringen, weil sie sonst "das gute Rating der Bank am
Kapitalmarkt" gefährde. Peanuts gibt es von den einzelnen G7-Ländern. Finanzminister Hans Eichel hat ganze 150 Millionen
Mark für einen Treuhandfonds zugesagt, die allerdings von der bilateralen Entwicklungshilfe abgezogen werden sollen. Die Privatbanken
haben schon im Vorfeld abgewunken.
Immerhin, die integrierte Strategie von Fonds und Bank haben die G7 "einhellig begrüßt". Statt konkreter finanzieller
Hilfen haben die Vertreter der reichsten Länder jedoch nur beschlossen, ein weiteres "Dialogforum" einzurichten, an dem sich
nun neben den G7 dreizehn weitere Staaten beteiligen dürfen. Armutsbekämpfung und Schuldenerlass sind also nicht viel mehr als
warme Worte. Nur manchmal werden sie Realität. Wie im Falle Ugandas, dessen 40 Millionen Dollar Schuldenbefreiung im letzten Jahr
in einen Topf zur Förderung sozialer Projekte flossen. Nur Pech, dass gleichzeitig die Rohkaffeepreise in den Keller fielen. Das hat den
Staat deutlich mehr gekostet als diesen Betrag.
Ähnliches könnte den armen und hochverschuldeten Ländern widerfahren, die künftig in den Genuss von
Schuldenreduzierungen kommen sollten. Denn Anfang Dezember steht die Jahrtausendrunde der Welthandelsorganisation an, die weitere
Liberalisierungsmaßnahmen für Agrarprodukte beschließen wird. Die Marktöffnungen werden mit einem weiteren
Preisverfall für Kaffee, Tee, Bananen und Zucker einhergehen - allesamt Produkte, auf deren Export sich viele der hochverschuldeten
Länder spezialisiert haben.