Sozialistische Zeitung |
Die Sonnenallee ist eine Straße in Berlin, deren kürzeres Stück bis 1989 zu Ost- und deren
längeres Stück zu Westberlin gehörte, mittendurch ging die Mauer. Auf dem kürzeren Stück spielt dieser Film. Er
entführt uns in die DDR der 70er Jahre.
Die ins Bild gesetzte DDR ist nicht das "totalitäre Reich des Bösen", das seine Bürgerinnen und Bürger
schrecklich unterdrückt. Die DDR kommt hier eher als miefiger, spießiger Kleinbürgerstaat daher, der gerne und viel
verbietet, aber nicht blutrünstig unterdrückt. Ob dies nun eine realistische Sicht auf den "deformierten Arbeiterstaat"
DDR ist oder nicht, sei einmal dahingestellt, amüsant ist es allemal.
Denn in der Sonnenallee-DDR lässt es sich gut leben. Man kann trottelige Vopos veralbern, Westtouristen den halb verhungerten Ossi
vorspielen, Wessis, die von der Aussichtsplattform über die Mauer bzw. den "antifaschistischen Schutzwall" gucken und
dumme Bemerkungen machen, mit Erschießen drohen, auf dem Schwarzmarkt "originalverschweißte" Rolling-Stones-
Platten kaufen usw. usf.
Die Hauptfigur, Micha, 17 Jahre alt, hängt mit seiner Clique vorzugsweise auf dem Spielplatz der Sonnenallee rum. Dort philosophieren
sie über Gott und die Welt, wie und wo man am besten an verbotene westliche Musik heran kommt und natürlich über
Mädchen. Michas grosser Schwarm ist Miriam. Die bevorzugt zunächst aber angeberische Wessis, bevor sie sich dann doch Micha
zuwendet. Außerdem möchte Micha Popstar werden, ein Ziel, dem er vor allem durch modische westliche Kleidung
näherzukommen versucht.
Der Film verbreitet DDR-Nostalgie, die sich selbst nicht ganz ernst nimmt. Gezeigt wird eine freundliche Parodie der DDR, der bei vielen,
Wessis wie Ossis, nostalgische Gefühle an die "goldenen 70er Jahre" aufkommen lassen wird. Ansonsten ist der Film
allerdings völlig belanglos. Er bietet keine echte Auseinandersetzung mit der DDR, auch nicht auf eine satirische Art und Weise. Der
Film ist gut gemachte Unterhaltung, die einen für 90 Minuten die neoliberale Gegenwart vergessen lässt und einen
zurückführt in eine Zeit, die einerseits "realsozialistisch" und andererseits sozialdemokratisch war. Damals war auch
für Linke, die mit beidem nichts am Hut hatten, nicht alles besser, aber vieles einfacher.
Andreas Bodden